 Rahel Hoffmann (Foto der ennkarte, StA Aurich)
 Scheintje Hoffmann (Foto der Kennkarte, StA Aurich)
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Die Eltern von Rahel und Scheintje waren der Kollekteur Simon Simcha Jacob Hoffmann, geb. am 9. März 1839 in Aurich und und seine Ehefrau Auguste Gütel Simcha de Beer, geb. am 5. Februar 1844 in Emden, gestorben am 23. März 1912 in Aurich. Die Geschwister waren Wolf Simcha (*14.09.1862), Isaac Isidor Simcha Simon (*29.06.1864), Johanne Hanne Simcha (*14.09.1867 + 23.09.1922), Betty Bella Simcha (*14.09.1867 + 14.03 1871) Bela Betty Simcha verh. Wallheimer (*16.09.1871 + 31.12.1963 New York), Jacob (*20.09.1875), Emma (*27.01.1877), Siegfried (*21.04.1879), Selma verh. Östreicher (*02.08.1881 + 10.1944 Auschwitz), Ida (*21.02.1883) und Röschen (*10.08.1885). Alle Kinder wurden in Aurich geboren.
Als diese zwei alten Damen Aurich mit dem Ziel Essen im Ruhrgebiet am 15.02. 1940 verlassen mussten, waren sie 71 bzw. 67 Jahre alt. Sie sind kurz vor bzw. kurz nach der Reichsgründung von 1871 geboren worden. Beide hätten sich bis 1933 vermutlich nicht vorstellen können, ihre Heimatstadt Aurich verlassen zu müssen. Sie hatten sich gut in ihrem Leben eingerichtet. Finanziell waren sie unabhängig, sie lebten im Hinterhaus, das Vorderhaus war an drei Mietparteien vermietet.
Rahel hatte als selbständige Modistin gearbeitet und bezog eine kleine Rente. Sie waren nicht reich, aber zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation, obwohl sie wie viele Deutsche ein Großteil ihres Vermögens während der Inflation von 1923 verloren hatte. Im Vorder- und im Hinterhaus wohnten zwölf Erwachsene und ein Kind. Mit der Machtergreifung im Januar 1933 hatte sich das Leben auch für die Auricher Juden radikal geändert. Zunächst waren es nur Blicke, die sie trafen, wenn sie ihr Hinterhaus verließen und auf die Straße traten. Später wechselten alte Bekannte die Straßenseite, wenn sie ihnen begegneten.
Bereits am 03.05. 1935 hatten sie ihr Haus zum Preis von 22.080 RM verkauft, hatten sich aber lebenslanges Wohnrecht im Hinterhaus ausbedungen. Sie hatten sich überlegt, wie viele ihrer jüdischen Freunde, Deutschland zu verlassen und in England oder in den USA noch einmal neu anzufangen. Aber für diesen Schritt fühlten sie sich schon zu alt. Sie hofften wohl, dass sich irgendwann die Verhältnisse wieder normalisieren könnten.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Am 9.11. 1938 stürmten SA Trupps aus Emden unter dem Beifall der Auricher Bevölkerung jüdische Wohnungen und zündeten die Synagoge an. Die im Innenstadtbereich wohnenden Juden wurden zusammengetrieben und Richtung Haxtum zur sogenannten „Bullenhalle“ geführt. Sie mussten zwar nur eine Nacht in der Halle verbringen, aber danach war es noch einsamer um sie geworden. Mit dem Reichsgesetz vom 04. Mai 1939, in dem es heißt: „Ein Jude kann sich auf den gesetzlichen Mieterschutz nicht berufen“, waren sie selbst im Hinterhaus nicht mehr sicher. Einige von ihren früheren Mietern begrüßten sie provokativ mit dem Hitlergruß, wenn sie auf die Norderstraße traten. Am 23. 9. 1939 wurde ihr Rundfunkgerät beschlagnahmt, so dass sie die Nachricht, dass seit dem 28.10. 1939 der „Judenstern“ in Polen eingeführt worden sei, nicht mehr erreichen konnte, denn Zeitungen kauften sie sich schon lange nicht mehr.
Nach dem siegreichen Polenfeldzug hatte der damalige Auricher Bürgermeister in einem Brief an den preußischen Innenminister den Vorschlag unterbreitet, man möge doch alle Juden aus dem Reich in den eroberten Gebieten Polens konzentrieren, dann sei man das leidige Judenproblem los, denn die noch im Reichsgebiet lebenden Juden seien überwiegend mittellos und müssten von den Städten und Gemeinden unterhalten werden.
Mitte Februar 1940 sollten Scheintje und Rahel ihre Heimatstadt für immer verlassen. Als sie wenige Tage zuvor sich bei der Stadtverwaltung abmelden wollten, wurde ihnen ein Schreiben der Geheimen Staatspolizei vorgelegt, in dem u. a. steht: „Um den Juden die Räumung unseres Bezirks zu erleichtern, erscheint es zweckmäßig, dass die Juden auf die Möglichkeit des Verkaufes von Möbeln usw. hingewiesen werden. Die Verkaufsmöglichkeit ist weitgehend zu unterstützen…“ Da sie wussten, dass sie in Essen, Ladenpelderstraße 47, nur einen Raum bewohnen sollten, gelang es ihnen noch einen Teil ihrer Einrichtungsgegenstände zu verkaufen, bevor sie am 15. Februar 1940 Aurich für immer verließen. Aber auch in Essen sollten sie nicht lange bleiben. Nach der „Wannseekonferenz“ vom 20.1.1942 kamen sie zunächst in das „Vorzeigekonzentrationslager“ Theresienstadt, bevor sie nach Treblinka zur Vernichtung deportiert wurden. Kurz nach ihrer Ankunft sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit getötet worden, weil sie nach Ansicht der selektierenden SS- Ärzte zur körperlichen Arbeit nicht mehr fähig waren. Nach dem Kriege hat sich die Erbengemeinschaft, bestehend aus sieben Personen des Geschwisterpaars, um Wiedergutmachung bemüht. In dem Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 15.12.1955 heißt es dazu: „Der Anspruch auf Rückerstattung ist gerechtfertigt. Die Verkäuferinnen gehörten als Juden zu einem Personenkreis, den in seiner Gesamtheit die nationalsozialistische Regierung aus Gründen der Rasse vom kulturellen und wirtschaftlichen Leben auszuschließen beabsichtigte.“ Am 23. März 1956 kauft Fritz Fangmann das Geschäftshaus Norderstraße 28 von der Erbengemeinschaft der Geschwister Hoffmann..
 Zwei alte Fotos aus dem Familienalbum, von Alexis Michaels aus England zur Verfügung gestellt.
 So sah das Geschäft von Simon Jacob Hoffmann um die Jahrhundertwende aus..
 Das Haus Norderstraße 28 im Winter 2024/2025.
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 Blick auf die Verlegung vom gegenüber liegenden Obergeschoss.
 Die Stolpersteine mit den niedergelegten Rosen am 8. November 2011. |