Dr. Alfred WERTHEIM,
geboren am 6. Oktober 1889 in Hannover
| Straße: | Osterstraße 13 |
| Todesdatum: | 5. Januar 1945 |
| Todesort: | Auschwitz |
| Dr. Wertheim war Jurist, Dr. der Rechtswissenschaft und hier in Aurich als Land und Amtsgerichtsrat tätig. Ich (Ulrich Kötting) bin sehr froh, dass Dr. Wilfried Buhr, der mit mir zusammen die Patenschaft übernommen hat, bei der Verlegung persönlich anwesend ist. Zum Leben Dr. Wertheims zitiere ich zunächst aus einem von ihm selbst verfassten Schreiben, das ich seinen im Staatsarchiv Hannover befindlichen Personalakten (Hann. 173, Acc. 31 / 87 Nr. 59 / 2) entnommen habe; auf den Grund dieses Schreibens komme ich später noch zurück. „Am 6.Oktober 1889, als Sohn des Fabrikanten Benno Wertheim in Hannover geboren, besuchte ich das Kaiser-Wilhelmsgymnasium meiner Vaterstadt. Da es meinen Eltern schwer gefallen wäre, mich studieren zu lassen, verließ ich Ostern 1905 die Anstalt mit der Reife für Obersekunda, um mich dem Kaufmannsberufe zu widmen, von Anfang an von dem Wunsche beseelt, mir durch fleißiges Arbeiten mein Studium wenigstens zum teil selbst zu verdienen. Nach einer dreijährigen Lehrzeit in einem Hannoverschen Engross- und Exportgeschäft, das heute auch noch besteht, (Max Rosenbaum, Velvets), wurde ich als Handlungsgehilfe angestellt und verblieb in dieser Stellung bis Ostern 1911. Meine ganze freie Zeit in den Mittags- und Abendstunden hatte ich während dieser Jahre unaufhörlich und unermüdlich, energisch und zielbewusst, dazu benutzt, mich durch Selbstunterricht, ohne irgend welche fremde Hilfe, zur Reifeprüfung vorzubereiten. So gab ich denn Ostern 1911 meinen Beruf auf und meldete mich zur Reifeprüfung, die ich am 12.September 1911 am Gymnasium zu Hannoversch-Münden als Extraneer bestand. Von Okt. 1911 bis Okt. 1914 studierte ich in Berlin und Göttingen Rechtswissenschaft und bestand am 5. Dez. 1914 ohne Wiederholung das Referendarexamen. Nachdem ich am 12. Dez. 1914 zum Referendar ernannt und am 21. Dez. 1914 als Beamter beeidigt worden war, habe ich mich am 31. Okt. 1919 zur zweiten juristischen (großen) Staatsprüfung gemeldet, die ich am 29. April 1920 ebenfalls ohne Wiederholung bestand. Nachdem ich am 29. April 1920 zum Gerichtsassessor ernannt war, heiratete ich am 21. 7.1921 meine jetzige Ehefrau Lotte Kurth, geb. am 11.Sept.1880.Während der Assessorenzeit hatte ich zum Teil bezahlte Aufträge (Kommissorien) und zwar 1. bei der Staatsanwaltschaft Hannover von Mai 1920 bis 1.Nov.1921. 2. beim Landgericht Hannover vom 1. Dez.1921 bis 1. Juni 1922. 3. beim Amtsgericht Harburg vom 11. Juni 1922 bis 25. Juli 1922. 4. beim Amtsgericht Hannover vom Januar bis 13.3.1923. 5. beim Amtsgericht Hoya vom 15. März bis 11. Juni 1923.In der übrigen Zeit war ich unbesoldet und lebte zum Teil von den mir gewährten Unterhaltszuschüssen, zum Teil von dem, was meine Frau durch Privatunterricht verdiente. Da ich mir auf die Dauer den Luxus eines auftragslosen Assessors nicht leisten konnte, ging ich zunächst zur Finanzverwaltung über, in der ich während einer informatorischen Beschäftigung vom 12.6.23 bis 1.4.24 eine auskömmliche Vergütung erhielt. Die Liebe zum juristischen Beruf veranlasste mich jedoch zur Rückkehr zur Justiz, obgleich, wie mir damals bekannt war, bis 1922 eine Anstellungssperre bestand, und richterliche Aufträge nur an ständige Hilfsarbeiter (Amtsrichter, Landrichter, Staatsanwälte) vergeben wurden. Dennoch tat ich den Schritt, weil ich auf keinen Fall von der Finanzverwaltung übernommen werden wollte. Da ich andererseits unter allen Umständen auf Erwerb angewiesen war, nahm ich bei der Justizverwaltung, in der mir nach Vorstehendem jedwede Aussicht auf eine entgeltliche richterliche oder staatsanwaltschaftliche Beschäftigung fehlte, eine Bürohilfsarbeiterstelle im mittleren Justizdienst an. In dieser Stelle verblieb ich vom 15. April 1924 bis etwa Ostern 1925. Von da hatte ich Anwaltsvertretungen bis zum 15. Sept. 1925. Nach einem einmonatigen Urlaub hatte ich dann bis zu meiner im Sept. 1926 erfolgten Ernennung zum Landgerichtsrat richterliche Aufträge.“ Im Oktober 1926 trat Dr. Wertheim seinen Dienst an und wohnte zunächst provisorisch in der Schulstraße 6. Am 6.12. mietete er eine Wohnung in der Leererstraße (heute Leerer Landstraße) 24 an, in die dann am 20.12.1926 auch seine Ehefrau einzog. Nach knappen 3 1/2 Jahren verzog er in den Kirchdorfer Weg 15, wo er bis zu seinem am 1.2.1933 erfolgten Umzug in die Julianenburger Straße 3 wohnte. Nach etwas mehr als 1 Jahr mietete er eine Wohnung in der Osterstraße 13 an, wo er bis zum Oktober 1938 wohnte, als ihm nämlich eine Wohnung in der Lilienstraße 9 zugewiesen wurde, die er aber nicht mehr bezog. Dr. Wertheim erlitt frühzeitig eine Augenerkrankung (grauer Star) auf beiden Augen, die ihn fast blind machte. Ein Auge hatte er operieren lassen, wofür er 1.200,- Reichsmark aufwenden musste. Da sowohl er als auch seine Ehefrau über keinerlei Vermögen verfügte, konnte er sein anderes Auge nicht operieren lassen; bei der Bemessung der Richterkräfte wurde er nur als halbe Kraft bewertet.Seine Ehefrau litt unter einer psychischen Erkrankung; sie befand sich häufiger in Heilanstalten. In einem Bericht des Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle vom 28.5.1929 zu einem Versetzungsgesuch Dr. Wertheims nach Hannover heißt es u.a.: „Nach mündlicher Mitteilung des Richters leidet seine Ehefrau – die 49 Jahre alt ist – an Melancholie; auch sollen paranoide Erscheinungen vorhanden sein. Frau Wertheim befindet sich deshalb z.Zt. in der Heilanstalt Rasemühle bei Göttingen. Wann eine Besserung ihres Zustandes zu erwarten ist, ist nach Angabe der Ärzte nicht abzusehen, so daß also vorderhand eine Versetzung ihres Ehemannes für sie selbst ziemlich bedeutungslos ist“. Der Hauptgrund für die Abneigung der Frau Wertheim gegen einen Aufenthalt in Aurich scheint der zu sein, dass sie – die selbst evangelisch ist – in Aurich wegen des jüdischen Bekenntnisses ihres Ehemannes unter Antisemitismus leiden zu müssen glaubt – eine Annahme, die ihr Ehemann für unzutreffend hält.“ Eine Versetzung Dr. Wertheims erfolgte nicht. Dr. Wertheim betätigte sich auf juristischem Feld für die jüdische Gemeinde in Aurich. Über seine Einstellung zum Dienst und seine Tätigkeit als Richter äußerte er sich wie folgt: Kurz nach der Machtergreifung, bereits am 1. April 1933 teilte der Landgerichtspräsident in Aurich dem Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle unter dem Betreff „Beurlaubung jüdischer Richter“ mit, er habe dem Landgerichtsrat Dr. Wertheim „seinem Antrage entsprechend, bis auf weiteres beurlaubt“. Einen solchen Antrag Dr. Wertheims habe ich den bis zu diesem Zeitpunkt mit preußischer Genauigkeit (und damit auch Vollständigkeit) geführten Personalakten jedoch nicht entnehmen können. In einem Dr. Wertheim betreffenden Erlass des Preußischen Justizministers vom 26. Juni heißt es: Gegen die Aberkennung des Ruhegehaltes wendet sich Dr. Wertheim mit einem umfangreichen Schreiben über seine persönliche Situation, aus dem ich bisher zitiert habe. Hierzu nimmt der Präsident des Landgerichts wie folgt Stellung: Der Präsident des Landgerichts schließt seinen Bericht wie folgt: Dr. Wertheim erhält schließlich im Dezember 1933 für die Dauer von 2 Jahren ein Ruhegehalt von 222,- Reichsmark gewährt, das später dann bis Ende 1939 weiter bewilligt wurde. Eine ausführliche Biografie von Dr. Wertheim findet sich im Buch „Stolpersteine Aurich“ und kann auch auf dem Blog des Verlages eingesehen werden. |
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| Recherche: Ulrich Kötting Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer (Stand 26.04.2013) |
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| Fotos: | Günther Lübbers |
| Opfergruppe: | Juden |
| Quellen: | Personalakte Dr. Alfred Wertheim, Staatsarchiv Hannover (Hann. 173, Acc. 31 / 87 Nr. 59 / 2) |
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| Patenschaft: | Ulrich Kötting und Dr. Wilfried Buhr |
| Verlegetermin: | 9. November 2012 |


