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Henny Knurr, geb. Bienheim

Veröffentlicht: 30. Juni 1913 von westermayer in Biografien

henny-knurrHenny KNURR, geb. Bienheim
geboren am 3. Februar 1864 in Duingen (Kreis Alfeld, heute: Landkreis Hildesheim)

 

 

 

Straße: Norderstraße 2
Todesdatum: 23. September 1942
Todesort: Treblinka
Henny Knurr geborene Bienheim, wurde am 3. Februar 1864 in Duingen geboren, damals Kreis Alfeld, heute Landkreis Hildesheim. Sie lebte nach ihrer Heirat mit dem Auricher Kaufmann Abraham Heymann Knurr viele Jahre in Aurich. Am 23. September 1942 wurde sie in Treblinka 78-jährig ermordet (Sternberg 2009, S. 31).Henny wuchs in einer kinderreichen Familie mit sieben Geschwistern auf. Ihre Eltern waren Eli Bienheim und Rieke Bienheim, geborene Poli (oder Polly, beide Schreibweisen sind möglich). Ihr Vater Eli stammte aus Duingen, ihre Mutter Rieke aus Petershagen (Gelderblom Website).
Die folgenden Angaben zur Familie Bienheim und zum Flecken Duingen wurden im Wesentlichen dem unveröffentlichten Manuskript aus 2012: „Jüdisches Leben im Flecken Duingen“ des Hamelner Historikers Bernhard Gelderblom entnommen sowie der folgenden Homepage des besagten Autors: http://www.gelderblom-hameln.de/juden/friedhoefe/friedduingen.html.
Die Familie Bienheim war seit mehreren Generationen in dem Flecken Duingen ansässig. Alle jüdischen Familien dieses Ortes hießen Bienheim oder Binheim. Als Henny geboren wurde, erlebte die jüdische Gemeinde Duingen gerade ihre Blütezeit mit etwa 14 jüdischen Bürgern. Das waren circa ein Prozent der Bevölkerung, für Norddeutschland ein typischer Wert (Gelderblom 2012, S. 1).
Hennys Vater Eli Bienheim war Kaufmann und konnte sich 1870, als Henny etwa sechs Jahre alt war, zusammen mit seiner Frau Rieke den Kauf eines Geschäftshauses leisten (Gelderblom 2012, S. 5).
Hennys Onkel Levi Selig Binheim war ebenfalls Geschäftsmann, mit neun Kindern gesegnet und erwarb im selben Jahr wie Eli ein eigenes Geschäftshaus in Duingen (Gelderblom 2012, S. 3).
Henny war das dritte Kind in der Geschwisterreihe. Von ihren sieben Geschwistern starben zwei bereits im Kindesalter. Ihr Bruder Martin führte das Geschäft seiner Eltern in Duingen sehr erfolgreich fort. Er heiratete Hulda Grunsfeld aus Hebenshausen und hinterließ ihr und den vier gemeinsamen Kindern ein ansehnliches Vermögen, als er im Jahre 1914 sechsundvierzigjährig verstarb. Der unverheiratet bleibende Bruder Hermann war dem zwei Jahre älteren Martin im Geschäft eine wertvolle Stütze und führte diese Arbeit auch fort, als Martins Sohn Walter das väterliche Erbe antrat (Gelderblom 2012, S. 3 ff.).
Nachdem Walter das Geschäft 1936 aufgrund erheblicher antisemitischer Schikanen aufgab, zog Hermann zu seiner Nichte Anna Grünberg, Martins Tochter, nach Bremen, von dort in das Sankt-Josephs-Stift in Bremen, wo er 1937 verstarb (ebd.).
Bei ihrer Nichte Anna und der Familie Grünberg in der Rüdesheimer Straße 21 in Bremen (Bohr) sollte auch Henny eines Tages Schutz und Unterkunft suchen, diesmal vor den Nationalsozialisten.
Von allen ihren Geschwistern hatte Henny sicherlich den engsten Kontakt zu ihrer jüngsten Schwester Ida. Ida wurde am siebten September 1872 geboren und war acht Jahre jünger als Henny. Beide Schwestern zogen nach Aurich und heirateten zwei Brüder aus dem angesehenen Geschäftshaus Knurr. Henny, die ältere Schwester, heiratete den älteren der beiden Brüder, den am 28.Oktober 1856 geborenen Abraham Joseph Heymann Knurr, Ida ehelichte den am zweiten Oktober 1859 geborenen jüngeren Bruder Lippmann Heymann Knurr.
Mit dieser Heirat hielten die Schwestern Henny und Ida auch die kaufmännische Tradition ihrer Herkunftsfamilie aufrecht. Die beiden Brüder Knurr führten zusammen ein gut gehendes Manufaktur- und Konfektionswarenhaus, das Traditionsgeschäft H. C. Knurr in Aurich in der Norderstraße 2, Ecke Marktstraße. Im „Adressbuch für Stadt und Landkreis Aurich 1926“ finden sich unter den Namen „Knurr“ folgende Einträge:
„Knurr, Erich,
Kaufmann, Norderstraße 2
Knurr, H. C., Manufaktur- und Konfektionsgeschäft, Ecke Norder- und Marktstraße 2
Henny, Witwe des Kaufmanns Abraham, Norderstraße 2
Lippmann, Kaufmann, Norderstraße 2“ (Adressbuch Aurich 1926).Während Ida Knurr im Laufe der nächsten Jahre Mutter von sieben Kindern (Harry, Erich, Gertrude, Lea, Therese, Hermann und Gerta,) wurde, blieb Hennys Ehe kinderlos (Familiendatenbank Juden in Nordwestdeutschland).
Hennys Ehemann Abraham war nicht nur als Auricher Geschäftsmann, sondern auch als Mitglied der jüdischen Gemeinde, in der er das Amt des Mohel innehatte, hochangesehen. Die Nachrufe nach seinem Tode am sechsten Mai 1924 und sein Grabstein sind beredte Zeugnisse dafür. In der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 22.05.1924 lesen wir unter anderem: „… Zu diesen jüdischen Tugenden kam ein außerordentlich freundliches, hilfsbereites Wesen, das ihn zum erklärten Freund der ganzen Bevölkerung, Juden und Nichtjuden, machte…“.
Abraham Knurr verstarb im Alter von 68 Jahren an einem Herzleiden und liegt auf dem jüdischen Friedhof in Aurich begraben. Auf seinem Grabstein wird auch an seine Frau Henny, die in Treblinka starb, erinnert.
Drei Jahre nachdem Hennys Ehemann verstorben war, starb auch ihre Schwester Ida in Aurich, am 28.04.1927. Es liegt nahe, dass Henny sich jetzt noch mehr als zuvor an die Familie ihres Schwagers anschloss, zumal bereits vorher rege familiäre und geschäftliche Arbeitsteilungen in und zwischen den Geschäftshaushalten Knurr bestanden haben dürften. Der Nachruf ihrer vier Nichten und Neffen vom 28. September 1945 im „Aufbau“ lässt jedenfalls darauf schließen, dass eine liebevolle Beziehung zwischen ihnen und Henny bestand. Darin heißt es: „…ihr Leben war voller Güte und Selbstaufopferung…“.
Mit der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur setzte die erste Welle staatlichen Terrors gegen Juden im Frühjahr 1933 ein. Reichsweite Boykottaufrufe gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte waren Vorboten des bevorstehenden Völkermords durch die Nazis und ihre Helfer.
Auch die Familien Knurr blieben von diesen Boykottaufrufen nicht verschont. Große Plakate mit der Aufschrift „Kauft nicht in jüdischen Warenhäusern“ wurden 1933 durch die Nazis vor ihrem Geschäft aufgestellt.
Zu den vielen Demütigungen der Nazis gehörte es auch in Aurich, den Juden das Wohnen in der Stadt so unangenehm wie möglich zu machen. So betrieben die verantwortlichen Stellen der Stadt Aurich systematisch den Entzug des Wohnraums und damit das Zusammenpferchen der jüdischen Auricher BürgerInnen auf engstem Raum.
Im Ergebnis dieser Zwangsmaßnahmen wurden Henny und Lippmann nun gezwungen, ihr eigenes stattliches Haus in der Norderstraße 2 zu verlassen und mit Familie in die Lilienstraße 12 zu ziehen, in eine etwa einhundert Meter entfernt liegende Wohnung im Angesicht ihrer früheren Wohn-und Arbeitsstätte.
Zur Durchführung dieser Repressalien diente ein „Verzeichnis (der Stadt Aurich, d. V.) des bei jüdischen Hauseigentümern vorhandenen Wohnraums“.
Zur Lilienstraße 12, der Adresse, unter der Lippmann und Henny Knurr zuletzt – unfreiwillig – gemeldet waren, ist in diesem Verzeichnis für das Jahr 1939 zu lesen: „Lilienstraße 12, Hauseigentümer: Abraham Levy Wolff, Witwe, Beilen/Holland.
Zweifamilienhaus
Zahl der Wohnräume: Erdgeschoss 2 Küchen und 6 Zimmer,
1 Stock 2 Küchen und 5 Zimmer
Hausboden: 2 Zimmer und Wohnraum
Zurzeit benutzt von:
1) Karl Wolff: 1 Küche u. 3 Zimmer (Erdgeschoss)
2) Ludwig Wolff: 1 Küche u. 3 Zimmer (Erdgeschoss)
3) Lippmann Knurr: 1 Küche u. 4 Zimmer (1 Stock) (hervorgehoben durch d. Verf.)
4) Abraham Wolff u. Hermann Altberger: 1 Küche
5) Nachmann u. Jakob Wolff: Hausboden
a)     Erwachsene: 16
b)     Kinder :      2
c)     Untermieter:___
Jude oder Nichtjude? Juden
Ist Aufnahme weiterer Personen möglich? Nein. Wie erniedrigend eine solche Behandlung insbesondere für Lippmann und Henny Knurr gewesen sein muss, die stets selbstständige und angesehene Kaufleute mit eigenem Haus, Grund und Boden waren, lässt sich nur erahnen.
Mitte der dreißiger Jahre gelang es einigen Auricher Verwandten Hennys, in die USA zu emigrieren und eine neue Existenz aufzubauen. Bei diesen Verwandten handelte es sich unter anderem um Erich Sternberg, den Ehemann ihrer Nichte Lea Sternberg, und Jacob Sternberg, Leas Schwiegervater. (Sternberg 2012, S. 37 ff.) Leas Brüder Harry, Erich und Hermann Knurr konnten sich etwas später ebenfalls noch rechtzeitig vor den Nazis durch Emigration in die USA in Sicherheit bringen.
Hennys Nichte Lea Knurr hatte, ebenso wie ihre Mutter Ida und wie ihre Tante Henny, einen angesehenen Kaufmann geheiratet, den einen Straßenzug entfernt wohnenden Erich Sternberg.
Das Geschäft Sternberg in der Osterstraße in Aurich war ein Kleiderfachgeschäft, dasjenige der Familie Knurr ein Einzelhandelsgeschäft. Während das Haus Knurr noch existiert, musste das Geschäftshaus der Familie Sternberg einem Neubau weichen. Hier befindet sich heute die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse.
Über die Geschichte der durch Heirat von Lea Knurr mit Erich Sternberg am 14. August 1927 miteinander verbundenen Auricher Kaufmannsfamilien Knurr und Sternberg berichtet Hans J. Sternberg, Leas und Erich Sternbergs jüngster Sohn in seiner Veröffentlichung aus 2009 „We were merchants“.
Wie Hans Sternberg (Sternberg 2012, S. 42) mitteilt, hatte sein Vater Erich Sternberg am 5. Februar 1936 in die USA, New York City, übergesetzt, um von dort aus die Immigration seiner Familie vorzubereiten.
Henny und Lippmann Knurr, beide weit über 70 Jahre alt, konnten sich lange nicht entschließen, die Immigration zu wagen und hofften wohl auch, dass die antijüdischen Exzesse eine bald wieder vorübergehende Erscheinung sein würden, wie schon oft in der Geschichte des Judentums.
Inzwischen waren jedoch die Immigrationsquoten der USA ausgeschöpft, und man konnte nur unter besonderen Bedingungen einreisen. Eine Möglichkeit bestand darin, als Ehepaar mit einem Ehepaar-Visum einzureisen. Erich Sternberg bedrängte daher von den USA aus seinen Schwiegervater Lippmann Knurr, der seit 1927 verwitwet war, formell seine seit 1924 verwitwete Schwägerin Henny Knurr zivilrechtlich zu heiraten. Auf diese Weise hätten beide mit einem Ehepaar-Visum in die USA einreisen und, dort angekommen, getrennt ihrer Wege gehen können. (Sternberg, 2009, S. 31)
Henny Knurr, die eine streng orthodoxe Jüdin war, verweigerte diese Heirat aus religiösen Gründen. In ihrem Falle hatten zuvor zwei Brüder zwei Schwestern geheiratet. Religiöse Regeln verboten eine Heirat zwischen einem verwitweten Schwager und seiner verwitweten Schwägerin. (ebd.)
Ende Januar 1940 wurde die jüdische Gemeinde von der SS und der Gestapo aufgefordert, die zwangsweise Evakuierung aller noch in Aurich verbliebenen jüdischen Bürger bis zum Stichtag erster März 1940 vorzubereiten. (Dieckhoff 1992, S. 286 ff.)
 Gezwungenermaßen entschlossen sich Henny und Lippmann daher, am 29.Februar 1940 Aurich für immer zu verlassen und zu Verwandten nach Bremen zu ziehen (Sternberg 2009, S. 31). Sie gehörten somit zu den letzten jüdischen BürgerInnen, die die Stadt Aurich verließen.
Dieckhoff informiert darüber in „Die Auricher Judengemeinde“: „… wurde in der Stadt Aurich – Ortspolizeibehörde – unter dem 27. Februar 1940 folgender Vermerk gefertigt: Der Synagogenvorsteher Wolffs teilt mit, dass folgende Juden noch keine Anstalten zu ihrem Fortzuge aus Aurich treffen, trotzdem sie sich bereits eine Wohnung an einem anderen Ort beschafft haben bzw. in der Lage sind, die Kosten eines vorübergehenden Aufenthalts in einer Pension zu bestreiten. a)     Leers, Viktor Israel,           Aurich         Wallstraße
b)     Samson Gebrüder,                “               Zingelstraße
c)     Wolffs, Rosa Sara,                “               Julianenburger Straße 3 [so!]
d)    Knurr, Lippmann,                  “      Lilienstraße (hervorgehoben durch d. Verf.)
e)     Samson                           Sandhorst,    ColdehörnMit demselben Datum ging an die unter a – d Genannten ein Schreiben mit Zustellungsurkunde: Durch den Synagogenvorsteher Wolffs ist Ihnen eine Anordnung der Geheimen Staatspolizei bekanntgegeben worden, nach welcher Sie unverzüglich Aurich zu verlassen oder nach dem Auslande zu verziehen haben […] Sollten Sie und Ihre Familie nicht bis zum 1. März 1940 Aurich verlassen haben, werde ich Ihre Inschutzhaftnahme veranlasssen.“ (Dieckhoff 1993, S. 289)
Während Henny und Lippmann Knurr verzweifelt versuchten, sich in Bremen vor den Nazis in Sicherheit zu bringen, verkündete der Auricher Landrat am 18. April 1940 gegenüber dem Auricher Regierungspräsidenten den Erfolg des antisemitischen Terrors: „… im ländlichen Bezirke sowie in der Stadt Aurich … keine Juden mehr wohnhaft.“ (Dieckhoff 1993, S. 293)
Schon vorher hatte Henny von ihren Neffen und ihrer Nichte und hatte Lippmann von seinen Söhnen Harry, Erich und Hermann sowie seiner Tochter Lea für immer Abschied nehmen müssen, als diese mit ihren Familien in das Ausland emigriert waren. Als letzte verließ im Oktober 1936 Lea mit ihren drei kleinen Kindern den europäischen Kontinent in Richtung Louisiana, USA.
Leas jüngster Sohn Hans Sternberg schreibt dazu: „… Leas Abreise war für sie wie für ihn (-Lippmann-, d. Verf.) doppelt schmerzhaft. Ihre jüngere Schwester Gerta hatte sich eine Lungenentzündung zugezogen und sowohl Medikamente als auch jede ärztliche Behandlung abgelehnt. Sie war gerade einmal vier Wochen vor unserer Abreise im Alter von 24 Jahren gestorben.“ (Sternberg 2012, S. 66)
Von Lippmann verliert sich zu Beginn des Jahres 1941 nach seiner letzten an seine Tochter Lea Sternberg in Baton Rouge, USA, verschickten Postkarte jede Spur. Mit dieser Karte informiert er Lea, dass er in Bremen von Nazi-Schlägern aus einer fahrenden Straßenbahn geworfen wurde. Dabei wurde ihm von den Hinterrädern der Bahn ein Fuß abgetrennt (Sternberg 2009, S. 31)
Die traurige Nachricht von Lippmanns Tod aus unbekannten Gründen im April 1942 erhielt Lea Sternberg über das Rote Kreuz (Sternberg 2009, S. 31 f.).
Henny hielt sich nach ihrem Wegzug aus Aurich noch etwa zwei Jahre in Bremen versteckt. Ihre letzte Meldeadresse in Bremen lautete: Rüdesheimer Straße 21, dort, wo auch ihre Nichte Anna Grünberg, die Tochter ihres Bruders Martin mit ihrer Familie gemeldet war (Bohr).
Anna wurde 1941 in das Ghetto Minsk verschleppt.
Gelderblom schreibt dazu: „Anna Grünberg, eine Tochter von Martin und Hulda Bienheim, wurde am 12. Mai 1897 in Duingen geboren. Sie wohnte mit ihrem Ehegatten Wolff Joseph (Wolly) Grünberg, geboren am 6. Februar 1888 in Weener, in Bremen. Aus Hamburg wurden die Eheleute zusammen mit ihrer am 6. September 1921 in Bremen geborenen Tochter Eva am 18. November 1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Als ihr Todesdatum gilt der 28. Juli 1942.“ (Gelderblom 2012, S. 23)
Schließlich, nachdem ihre Bremer Verwandten aus der Familie Grünberg im November 1941 bereits nach Minsk deportiert worden waren, wurde Henny in Bremen von den Nazis gefunden und im Juli 1942 in einem Güterwagen nach Hannover verschleppt.
Von Hannover aus wurde sie am 24. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt transportiert.
Zwei Monate später, am 23. September1942, wurde sie mit weiteren 1.984 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka gebracht, wo sie nach Auskunft ihres Großneffen Hans J. Sternberg noch am Tage ihrer Ankunft ermordet wurde. Sie war 78 1/2 Jahre alt.
Mit demselben Transport wurde auch ihre 79 Jahre alte Cousine Jeanette Binheim, wie Henny Knurr aus Duingen stammend, nach Treblinka verschleppt (Datenbank der Holocaustopfer).
Es gab aus diesem Transport keine Überlebenden
(ebd.).

      Schüler der Berufsfachschulklasse Bautechnik der BBS Aurich II bereiten die Verlegung der Stolpersteine vor

Das ehemalige Geschäftshaus H.C. Knurr

Recherche: Christine Meissner und Maria Deters (Stand: 9.11.2012)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
Foto: Nachruf v. 28.09.1945
Grabstein auf dem Auricher Friedhof
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur: Adressbuch für Stadt und Landkreis Aurich 1926, Aurich 1926; Dunkmann Verlag Datenbank der Holocaustopfer, abrufbar unter http://www.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.464582, letzter Zugriff am 31.10.2012
 
Dieckhoff, Johannes: Die Auricher Judengemeinde von 1930 bis 1940 in Reyer, Herbert: Aurich im Nationalsozialismus, Aurich 1993
Familiendatenbank Juden in Nordwestdeutschland, abrufbar unter http://www.online-ofb.de/juden_nw/ letzter Zugriff am 31.10.2012
Gelderblom, Bernhard, Jüdisches Leben im Flecken Duingen. Unveröffentlichtes Manuskript 2012
Website Gelderblom: Website des Bernhard Gelderblom zum jüdischen Friedhof Duingen, abrufbar unter http://www.gelderblom-hameln.de/juden/friedhoefe/friedduingen.html, letzter Zugriff am 30.10.2012
Johr, Barbara: Erinnerungs- und Forschungsprojekt Stolpersteine. Liste der aus Bremen nach Theresienstadt deportierten und verstorbenen Personen, ohne Jahr, abrufbar unter http://www.stolpersteine-bremen.de/download/Deportationsliste%20Theresienstadt.pdf, letzter Zugriff am 30.10.2012
Staatsarchiv Aurich: Verzeichnis des bei jüdischen Hauseigentümern vorhandenen Wohnraums, 1939, in: Hans-Joachim Habben: Von der Emanzipation bis zum Ende des Weltkrieges, in: Die Juden in Aurich
Sternberg, Hans J.: Von Ostfriesland nach Louisiana 2012
Sternberg, Hans J.: We were merchants 2009
Gelderblom, Bernhard: Website des Autors zum jüdischen Friedhof Duingen, abrufbar unter
http://www.gelderblom-hameln.de/juden/friedhoefe/friedduingen.html, letzter Zugriff am 30.10.2012
Patenschaft: Beutz-Thedinga, Fa. Isermann
Verlegetermin: 12. Juni 2012

Heinz Hartogsohnl

Veröffentlicht: 30. Juni 1913 von westermayer in Biografien

Heinz HARTOGSOHNL
geboren am 31. August 1918 in Bunde

Straße: Norderstraße 2
Todesdatum: 30. September 1942 (für tot erklärt)
Todesort: Auschwitz
  Heinz Hartogsohn war das zweite Kind der Eheleute Julius Hartogsohn aus Emden und Veronika geb. Berliner aus Weener.

 

Heinz Hartogsohn hatte noch einen älteren Bruder, Max, geboren 1913 von Beruf Nähmaschinenvertreter und einen jüngeren – Herbert, geboren 1920.

Die Familie Hartogsohn betreibt einen Altmaterialhandel in Bunde. Heinz geht am 15.05.1934 nach Aurich als Kaufmann zu Lippmann Knurr in der Norderstraße 2.

Am 2.06.1937 verlässt Heinz Aurich um mit der Familie seines Vaters nach Winschoten zu fliehen. Sein Bruder Herbert arbeitet ebenfalls in dieser Zeit bei van Dijk in der Wilhelmstraße 21 (heute: H&M zuvor Schüt Duis in der Burgstraße) als kaufmännischer Lehrling.

 

Die Brüder Hartogsohn beantragen zuvor Reisepässe bei der Einwohnerregistratur in Aurich. Mit Bescheid vom 16.02.1935 wurde dies abgelehnt, […] weil die ganze Familie politisch nicht einwandfrei sei.

 

Die ganze Familie Hartogsohn und die Großmutter Hanna Berliner geb. Leeuwarden flüchtet 1937 nach Winschoten in die Noorderstraat 18. Dort ist Julius 1941 als Händler von Häuten, Leder und Gerbstoffen in einem amtlichen Register eingetragen. Sein Bruder Max heiratet noch am 23. Juli 1942 in Winschoten Esther de Beer.

 

Alle Hartogsohns werden mit der Übernahme der Gesetze zur Judenverfolgung nach der deutschen Besetzung in Westerbork festgesetzt. Am 24.08.1942 wird Heinz mit 610 weiteren nach Auschwitz deportiert und dort ermordet (am 30.09.1942 für tot erklärt). Sein Name, wie die von Esther, Herbert, Max und Veronika sind im Häftlingsregister von Auschwitz vermerkt.

 

Alle anderen Familienmitglieder, bis auf die Großmutter Hanna Berliner, kommen ebenfalls in der Shoa um. Letzte stirbt am 27.11.1942 in Westerbork und ist auf dem Friedhof in Assen beigesetzt.

 

1953 wird über das Hausvermögen der Hartogsohns, das Haus steht in Bunde, Wüpping, an der Durchfahrtsstraße, in einem Vergleich verhandelt. Der Erwerber von 1937 muss 7.000 DM an den Jewish Trust als Treuhänder der Erben, dort Berliner-Erben, bezahlen. Es sind von allen Familienlinien aber keine namentlich genannt, d. h. sie sind alle umgekommen.

  Recherche: Jörg Peter (Stand: 9.11.2012)

Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer

Foto:  
Opfergruppe: Juden
Quellen: Staatsarchiv Aurich: Rep. 251 Nr. 15, 815 und Rep 107 Nr. 2868
Literatur:  
Patenschaft: Silvia Cammengan
Verlegetermin: 9. November 2012

 

 

Hedwig Wolff, geb. von der Walde

Veröffentlicht: 30. Juni 1913 von westermayer in Biografien

hedwig-wolffHedwig WOLFF geb. van der Walde

geboren am 6. Oktober 1883 in Emden

 

 

 

Straße: Lilienstraße 12
Todesdatum: 9. November 1942
Todesort: Auschwitz
Hedwig van der Walde wurde am 6. Oktober 1883 in Emden geboren. Sie wächst in einer großen Familie mit fünf Schwestern und einem Bruder auf.  Ihre Geschwister heißen Fanny, Sophie, Auguste, Iwan, Amalie und Hinderina.

Ihre Eltern Jette Fulda und Nachmann von der Walde wohnen in der Oldersumer Straße. Ihr Vater führt einen Produktenhandel, d.h. er handelte mit Agrarprodukten.  Im Jahre 1902, Hedwig ist gerade 19 Jahre alt, stirbt der Vater. Seine Witwe Jette führt das Geschäft weiter. 1912 stirbt auch Hedwigs  Mutter.
Hedwig heiratet 1903 den am 31.Dezember 1865 geborenen  Abraham Levy Wolff  aus Aurich. Ihre Schwiegereltern sind  Eva geb. Wolffs und Levy Wolff. Hedwigs Schwester Auguste von der Walde war Abraham Wolffs erste Ehefrau. Auguste starb ein halbes Jahr nach der Hochzeit, im August  1902 im Alter von 20 Jahren an Krupp (s. Grabinschrift).

Hedwig bringt neun Kinder zur Welt, vier Töchter und fünf Söhne:                                                                                    Nachman geb. 6.Dezember 1903,
Ludwig 14. Oktober 1905,
Jakob geb. 25. Februar 1907,
Erna geb. 4. Mai 1908,
Herta geb. 18. Dezember 1909,
Iwan geb. 15. Februar 1913,
Sophie geb. 1917,
Alfred geb. 25. Juni 1919, und
Ruth geb. 10. März 1923.
Tochter Sophie stirbt 1917 einen Tag nach ihrer Geburt.

Die Lilienstraße 12 – das Haus hat Abraham im Jahr 1907 erworben – ist Hedwigs Zuhause und bleibt es 37 Jahre lang. Das Ehepaar führt einen Rinderhof und betreibt  Viehhandel. Aus der Meldekartei der Stadt Aurich ist zu entnehmen, dass mehrere, auch nichtjüdische Mieter in ihrem Haus zur Untermiete wohnten. Im Hammerkeweg 32 hatten sie Weide- und Ackerland.

Am 23. Dezember 1923, wenige Tage vor seinem 58. Geburtstag, stirbt Hedwigs Ehemann Abraham Levy Wolff an einer Lungenentzündung. Hedwig ist erst 40 Jahre alt. Im selben Jahr bringt sie ihr jüngstes Kind Ruth Senathe zur Welt, das nun ohne Vater aufwachsen muss.
Ganz auf sich gestellt, ist Hedwig nun gezwungen, allein die Arbeit im Kuhstall sowie den Viehhandel zu organisieren, teilt Lea, Hedwigs Enkeltochter in einem Brief mit. Vermutlich wird sie von ihren Söhnen bei der Arbeit unterstützt, die ebenfalls als Viehhändler tätig sind. Hedwigs Kinder sind zu dieser Zeit zwischen 19 Jahren und acht Monaten alt.  Lea teilt weiter mit, dass ihre Mutter Erna (Hedwigs Tochter)  für den Haushalt verantwortlich ist. Hedwig beschäftigt eigene Hausangestellte und beherbergt weiterhin Untermieter. Das Haus wird 1926 auf Hedwigs Namen umgeschrieben. Im Verzeichnis des jüdischen Grundbesitzes in der Stadt Aurich ist sie bis 1941 als Besitzerin eingetragen.

1929 zieht als erste ihre Tochter Herta aus dem Elternhaus aus und heiratet Isaak ter Berg aus Delmenhorst, der gebürtig aus Zuidbroek in den Niederlanden stammt. Sie bekommen zwei Kinder – Sigmund wird im Dezember 1930 und Hedwig im Juni 1933 geboren. Es sind Hedwigs erste Enkelkinder. Tochter Erna heiratet 1930 Moses Meyer aus Groningen, wo sie fortan lebt. Erna bringt eine Tochter, Lea Leni, zur Welt.

Seit 1935 wird das Leben der jüdischen Bürger Aurichs durch die antisemitischen „Nürnberger Gesetze“ erheblich erschwert. Ihre Entrechtung und die wachsende Feindschaft gipfeln vorerst in der Pogromnacht vom 9. auf den 10.November 1938 durch die Zerstörung der Synagoge in Aurich. An diesem Tag werden alle jüdischen  Mitbürger jeden Alters von SS und SA aus ihren Häusern geholt und in die sogenannte Bullenhalle, eine landwirtschaftliche Viehauktionshalle getrieben, begleitet von Beschimpfungen, körperlicher Gewalt und Sachbeschädigungen ihrer Wohnungen und Geschäfte. (Diekhoff „Die Auricher Judengemeinde von 1930 bis 1940“ 1993 Aurich im Nationalsozialismus S. 274 f.)

Die Söhne Nachman, Jakob, Ludwig, Alfred und Tochter Ruth Senathe leben zunächst noch im Haus ihrer Mutter. Nachman und Jakob bleiben als einzige Kinder unverheiratet und verlassen als letzte das Elternhaus. Sie bleiben bis zu ihrer erzwungenen Abreise im Februar 1940 und gehören zu den letzten jüdischen Bürgern Aurichs.

Ende Januar 1940 wird die jüdische Gemeinde durch SS und Gestapo aufgefordert, alle Anstalten für einen Abzug der jüdischen Familien aus Aurich in andere Städte außerhalb des Regierungsbezirks zu treffen. Dies sollte bis zum 1. April 1940 geschehen sein.
Folgendes Zeugnis systematischer Verfolgung und bürokratisierter Abwicklung des Ziels „ Aurich judenfrei“ zu machen, bringen nun auch Hedwigs Söhne Nachman und Jakob, die bis zuletzt die Stellung zu Hause gehalten hatten, in große Bedrängnis. Johannes Diekhoff schreibt:

„Aufgrund einer mündlichen Meldung wurde in der Stadt Aurich – Ortspolizeibehörde – unter dem 27. Februar 1940 folgender Vermerk gefertigt: Der Synagogenvorsteher Wolffs teilt mit, daß folgende Juden noch keine Anstalten zu ihrem Fortzuge aus Aurich treffen, trotzdem sie sich bereits eine andere Wohnung an einem anderen Ort beschafft haben, bzw. in der Lage sind, die Kosten eines vorübergehenden Aufenthalts in einer Pension zu bestreiten. 

Leers, Viktor Israel            Aurich          Wallstraße
Samson Gebrüder              Aurich          Zingelstraße 3
Wolffs, Rosa Sara              Aurich          Julianenburger Str. 3 [so!]
Knurr, Lippmann               Aurich          Lilienstraße
Samson                           Sandhorst,         Coldehörn 

Mit demselben Datum ging an die unter a-d Genannten ein Schreiben mit Zustellungsurkunde: Durch den Synagogenvorsteher Wolffs ist Ihnen eine Anordnung der Geheimen Staatspolizei bekanntgegeben worden, nach welcher Sie unverzüglich Aurich zu verlassen oder nach dem Auslande zu verziehen haben[…] Sollten Sie und Ihre Familien nicht bis zum 1. März 1940 Aurich verlassen haben, werde ich Ihre Inschutzhaftnahme veranlassen“. (Diekmann 1993, S. 289)

Am 26. Februar 1939 verkaufte Nachman als Bevollmächtigter seiner Mutter das Haus. Nachman und Jakob verabschieden sich am 27. Februar 1940 endgültig von ihrer Heimatstadt Aurich, ihrem Elternhaus und ziehen nach Berlin um, wo sie in der Friedrichstraße 77 gemeldet sind. Nur der Untermieter Lippmann Knurr und seine Schwägerin Henny Knurr verharren noch zwei Tage länger in Hedwigs Haus und verlassen es als letzte am 29. Februar 1940 (Rep. 251, Nr.365). 1943 wird das Haus in der Lilienstraße 12 durch einen Bombenangriff vollständig zerstört werden.

Die folgende Begebenheit aus dem Alltag macht deutlich, welche Auswirkungen die Anwendung der Rassenideologie der Nazis auf Hedwig hatte und welche Demütigungen sie und andere Juden erleben mussten:

„Die Witwe von Abraham L. Wolff, Lilienstraße 12, beantragte am 6. Januar 1936, die 35 Jahre alte Waschfrau Freerksen aus Walle ein- bis zweimal wöchentlich weiter beschäftigen zu dürfen. Die polizeilichen Feststellungen ergaben, daß 5 Söhne im Alter zwischen 32 und 16 Jahren der Hausgemeinschaft angehörten. Der Bürgermeister beschied am 31. März 1936: Eine Weiterbeschäftigung der Waschfrau Fr. aus Walle ist unzulässig. Frau L. Wolff ist sofort aufzugeben, die Entlassung durchzuführen. Seine Polizeibeamten wies er an, durch gelegentliche Kontrollen festzustellen, ob die Entlassung tatsächlich durchgeführt ist. Falls Verstöße gegen das Blutschutzgesetz beobachtet werden, bitte ich sofort um Bericht.“ ( Diekhoff 1993, S. 271)

„Das während des Reichsparteitags in Nürnberg am 15. September 1935 in einer Sondersitzung des Reichtags beschlossene „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ hatte sehr einschneidende und unmittelbare Wirkungen auf das Leben der Auricher Juden. Seit Menschengedenken waren christliche Mädchen und Frauen besonders aus den umliegenden Dörfern in Geschäften und Haushalten von Juden beschäftigt. Das genannte Gesetz verbot deren Weiterbeschäftigung, sofern es sich um weibliche Angestellte unter 45 Jahren, später unter 35 Jahren, handelte“ (Diekhoff 1993, S. 271).

Außerdem  war es nicht mehr erlaubt, nichtjüdische Bürger als Untermieter aufzunehmen. Stattdessen wird Hedwig nun gezwungen, ihren Wohnraum für jüdischen Bürger zur Verfügung zu stellen, die ihre Wohnungen, Häuser und ihre Geschäfte verlassen müssen. In diesen „ausgesuchten Häusern“ leben sie zusammengepfercht unter schwierigsten Bedingungen.
In einem  Verzeichnis vom 27.06.1939 (Der Bürgermeister Aurichs zum in jüdischem Hauseigentum vorhandenen Wohnraum) ist Folgendes aufgelistet:

Lilienstraße 12, Hauseigentümer: Abraham Levy Wolff, Witwe, Beilen/Holland
Zweifamilienhaus
Zahl der Wohnräume: Erdgeschoß 2 Küchen und 6 Zimmer
                                      1. Stock      2 Küchen und 5 Zimmer
                             Hausboden 2 Zimmer und Wohnraum

Zur Zeit benutzt:
1) Karl Wolff:  1 Küche und 3 Zimmer (Erdgeschoß)
2) Ludwig Wolff: 1 Küche und 3 Zimmer (Erdgeschoß)
3) Lippmann Knurr: 1 Küche und 4 Zimmer (1. Stock)
4) Abraham Wolff u. Hermann Altberger: 1 Küche
5)  Nachman und Jakob Wolff: Hausboden

Zahl der Hausangehörigen: 16
a) Erwachsene:       14
b) Kinder:     2
c) Untermieter:       —
Jude oder Nichtjude: Juden
Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit.
Ist die Aufnahme weiterer Personen möglich?     Nein

Zu diesem Zeitpunkt (27.06.1939) lebt Hedwig Wolff nicht mehr in Aurich. Sie fasst den Entschluss, mit ihrer 17-jährigen Tochter Ruth in die Niederlande zu emigrieren. Hedwig verlässt ihr Haus in der Lilienstraße, ihren Viehhof und lässt zwei ihrer Söhne zurück. Die erste Station im Ausland ist Winschoten, wohin sie laut Eintragung in der Meldekartei der Stadt Aurich am 8. März 1939 zusammen mit ihrer Tochter Ruth Senathe emigriert.  Später wohnt sie mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Iwan in der Stationslaan 24 in Beilen.
Im Joodsche Weekblad vom 05.September 1941 erscheint eine Anzeige, die vermutlich von Hedwig Wolff aufgegeben wurde (joodsmonument.nl)

Hedwig Wolff unternimmt den Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, in der Nähe ihrer Kinder und nunmehr sechs Enkelkindern.
In Groningen lebt bereits seit 1930 ihre Tochter Erna mit Ehemann Moses und Tochter Lea. Auch ihre Tochter Herta ter Berg mit ihrem Ehemann Isaak, ihren Kindern Hedwig und Siegmund aus Delmenhorst sind am 9. Mai 1936 in die Niederlande geflohen und leben in Hoogeveen, südlich von Beilen (Gedenkbuch). Ludwig Wolff lebt mit seiner Frau Johanna Wolff-Samson und den drei Kindern Albert (*1937), Simon (*1938) und Hedwig (*1941) seit ihrer Emigration am 25. März 1938 in Beilen, wo die beiden jüngsten Kinder zur Welt kommen (Gedenkbuch). Wie aus der Meldekartei zu entnehmen ist, war Ihr Sohn Iwan bereits am 23. Juni 1938 nach Beilen verzogen. Alfred Wolff lebt mit seiner Frau Resi Wolff-Mildenberg ebenfalls in den Niederlanden.

Beilen liegt 7,5 Kilometer von der Ortschaft Westerbork entfernt. Zu dieser Zeit befindet sich bei Westerbork ein Flüchtlingslager. Es wurde von den Niederlanden im Jahr 1939 errichtet, um die vielen geflüchteten und verfolgten Juden, Sinti und Roma und Widerstandskämpfer aus Deutschland und Österreich aufzunehmen.

Am 10. Mai 1940 beginnt die Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen. Am 1. Juli 1942 wird aus dem Zentralen Flüchtlingslager Westerbork offiziell ein Durchgangslager unter direkter deutscher Verwaltung (KZ-Sammellager) für die Deportation der niederländischen und deutschen Juden in die Vernichtungslager.
Mit ihrer Internierung in Westerbork muss Hedwig nun vollständig und endgültig alles Hab und Gut verlassen und miterleben, wie alle Familienangehörigen, außer ihre Tochter Erna mit ihrem Ehemann Moses Meyer und ihrer Tochter Lea, zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lager Westerbork interniert werden. Von dort werden sie in die Vernichtungslager im Osten deportiert werden.

Am 9. November 1942 wurde Hedwig Wolff im Alter von 59 Jahren in Ausschwitz ermordet.

Ruth Senathe Wolff wurde am 12. Februar 1943 in Auschwitz im Alter von 19 Jahren ermordet.

Herta ter Berg (34 J.) wurde zusammen mit ihren Kindern Siegmund (12 J.) und Hedwig ( 10 J.) am 23. Oktober von Westerbork nach Auschwitz deportiert und am 26.Oktober 1942 in Auschwitz ermordet. Ihr Ehemann Isaak (51 J.) wurde am 24. März 1945 in Auschwitz ermordet.

Iwan Wolff wurde  am selben Tag seiner Deportation aus Westerbork am 30.April 1943 im Alter von 30 Jahren in Auschwitz ermordet.

Alfred Wolff (24 Jahre) und seine Frau Resi Wolff-Samson  (24 Jahre) wurden am 18. Mai von Westerbork nach Auschwitz deportiert und beide am 21.Mai1943 in Sobibor ermordet.

Ludwig Wolffs Frau Johanna (29 J.) wurde mit ihren Kindern Albert (5 J.), Simon (3 J.) und Hedwig (1 J.) am 9. November 1942 in Auschwitz ermordet. Ludwig Wolff (38 J.) wird am 31. März 1944 ermordet.

Nachman und Jakob Wolff wurden nach der Liste der aus Berlin Deportierten beide am 26.Oktober 1942 mit dem Transport 22 von Berlin mit 796 weiteren Menschen nach Riga in Lettland deportiert. Dort wurden sie nach der Ankunft am 29.Oktober 1942 umgebracht.

(Gedenkbuch Bundesarchiv)

Erna Meyer ist das einzige Kind Hedwigs, das den Holocaust überlebte. In ihrem Brief teilt mir Lea, die Tochter von Erna mit, dass sie sich während des Krieges dreieinhalb Jahre versteckt hielten. Ihre Eltern wurden von einem Bauern versteckt, Lea von einem Pastor. Nach der Befreiung der Niederlande gingen sie zurück nach Groningen. Leas Eltern adoptierten einen 10-jährigen Jungen, dessen Eltern im Holocaust umgekommen sind. 1951 wanderten sie nach Israel aus. Weiter schreibt Lea, dass ihre Mutter Erna 2006 im Alter von 98 Jahre gestorben. Lea ist Ernas einzige Tochter. Sie hat fünf Kinder und acht Enkelkinder.

In Beilen / Niederlande sind drei Stolpersteine in der Stationslaan 24 verlegt worden, für Hedwig Wolff, Iwan Wolff und Ruth Senathe Wolff.  Fünf Stolpersteine wurden im Eursingerweg 1 für die Familie Ludwig, Johanna, Albert, Simon und Hedwig Wolff verlegt. (www.google/maps)

Aus Hedwigs Herkunftsfamilie überlebte ihr Bruder Iwan von der Walde. Er starb am 8. Oktober 1956 . Hedwigs Neffe, Norbert Visser, der Sohn ihrer ältesten Schwester Fanny überlebt ebenfalls.

Hinderina verließ mit ihrem Mann Siegmund Driels und den  Kindern Norbert und Senta Deutschland 1939 und emigrierte nach London. Senta und Norbert wanderten später nach Kanada aus.

Die Stolpersteine vor dem Haus Lilienstraße 12

 

Recherche: Christine Meissner und Maria Deters (Stand 1.01.2013)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
Fotos von der Verlegung: Günther Lübbers
Opfergruppe: Juden
Quellen: – Meldekartei der Stadt Aurich 1900 bis 1940
– Staatsarchiv Aurich: Heiratsregister, Geburtsregister,
Sterberegister der Stadt Aurich- Stadtarchiv Emden, Dr. Rolf Uphoff;- Rep. 251, Nr.365, Entschädigungsakte;
– Lea, Enkelin von Hedwig Wolff, Ihr Brief vom 13.10.2012
Literatur: – db.yadvashem.org, letzter Zugriff 01.11.2012
– Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland von 1933 bis 1945“ Website, letzter Zugriff 01.1.201
– Johannes Diekhoff: Die Auricher Judengemeinde von 1930-1945, in: Herbert Reyer (Hg.): Aurich im Nationalsozialismus 1993, S. 271f.
http://www.allemannia-judaica.de/aurich_synagoge.htm , letzter Zugriff 01.11.2012
http://www.geni.com, letzter Zugriff 01.11.2012
http://www.ancestry.de, letzter Zugriff 01.11.2012
http://www.joodsmonument.nl, letzter Zugriff 01.11.2012
– Grabinschrift aus:
www.allemannia-judaica.de/aurich_synagoge.htmToekomstige locatie Stolpersteine Beilen – Google Maps– Thorsten Harms: Die Familien der jüdischen Gemeinden in Ostfriesland, Buch in Vorbereitung- http://www.leer.de/lebens_und_leidenswege_archivpädagogische_ anlaufstelle
Patenschaft: Thilo Hoppe
Verlegetermin: 9. November 2012

 

 

 

Gerda Jacobs geb. Wolff

Veröffentlicht: 30. Juni 1913 von westermayer in Biografien

Gerda JACOBS  geb. Wolff
geboren am 6. März 1907 in Aurich

 

 

 

Straße: Lilienstraße 9
Todesdatum: Unbekannt,  Deportation nach Riga 1941
Todesort: Riga
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Gerda Jacobs geb. Wolff 1939 (Foto der Kennkarte, StA Aurich)

 

 

 

 

 

 

 

 

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In der Lilienstraße 9 wohnte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Familie von Henriette und Selke Levy gen. „Selly“  Wolff.  Das Haus gehörte Selly Wolff seit er es 1895 von Wolf Samson erwarb. Henriette und Selly Wolff  hatten zusammen 12 Kinder. Nur 3 ihrer Kinder überleben den Völkermord an den Juden.

Henriette von der Walde (Lt. Geburtenregister 1844-1931: „van der Walde“) wurde am 24. Juli 1875 als einziges Kind von Magnus Abraham von der Walde (1848 – 1932) und Karoline Gütel Levy,  geb. Wolf (1853 – 1917) in Aurich geboren.

Henriette heiratete am 4.12.1894 im Alter von 19 Jahren den Schlachter und Viehhändler  „Selly“  Wolff (1863 -1930).

Selly Wolff war das jüngste von sieben Kindern von Levy (1818-1869) und Eva Wolff (1825-1901). Sein älterer Bruder Abraham wohnte mit seiner Familie gegenüber in der Lilienstraße 12.
Selly Wolff war ein nicht nur in der Stadt Aurich, sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus  bekannter Viehhändler und Schlachter, der regelmäßig in den „Ostfriesischen Nachrichten“ sein „Ausstellungs- Fleisch, Das Beste vom Besten“ annoncierte.  Seine Enkeltochter, Hannelore Wolff, die heute in den USA lebende Laura Hillman, die den Völkermord überlebte, weil ihr Name auf Schindlers Liste gesetzt wurde, erzählt in ihrem Buch „I will plant you a lilac  tree“ /Ich werde Dir einen Fliederbaum pflanzen“, dass sie im KZ Brünnlitz  auf einen SS-Wachmann aus Moordorf traf, der sie zunächst schikanierte, dann aber, als ihr ein Plattdeutsches Wort herausrutschte,  freundlicher wurde und erzählte, dass er in Ostfriesland einen Viehhändler namens Selly Wolff gekannt habe.  Hannelore wagt es damals nicht, sich als dessen Enkeltochter erkennen zu geben.

In einer Mail  berichtet Laura Hillman über ihren Großvater, dass er immer hilfsbereit gewesen sei und anderen oft aus finanziellen Schwierigkeiten geholfen habe, oft so, dass diese nicht bemerken konnten, woher die Hilfe kam.

Kalli Gramberg erzählt im 3. Band seiner Rückblicke auf die Auricher Geschichte über den Schlachter Selly Wolff folgende Anekdote: „Als seine vielen Kinder noch klein  waren, saßen sie oft auf den Steinen des Bürgersteigs. Selly rief: “Jonni, Luti, Abi“ (usw.)“wollt ihr wohl mit de blode Moors von de kalte Schteine ab!“

Selly Wolff verstirbt  am 23. August 1930. Seine Söhne Ludwig ,  Magnus und Abraham, die schon 1926 als Schlachter und Viehhändler in der Lilienstraße 9 aufgelistet  werden, führen das Geschäft ihres Vaters unter seinem Namen  weiter.

Gerda Wolff, geboren am 6. März 1907, ist das 9. Kind von Henriette und Selly Wolff. Für Gerda wird als Beruf „Haustochter“ angegeben. 1933 zieht  sie für einen Monat nach Rotterdam. Am 10.05.1936 heiratet sie Louis Jacobs (8.02.1894-1944) und zieht zu ihrem Mann nach Lathen.
Ihr Mann wird in der Reichspogromnacht verhaftet und für einige Wochen im KZ Sachsenhausen interniert.
1941 werden Gerda und ihr Mann nach Riga deportiert. Gerda war zu dieser Zeit schwanger. Dort, wo auch ihre Schwester Rosa und deren Familie getötet wurden, wird auch Gerda bald nach ihrer Ankunft ermordet. Ihr Mann lebt noch weiter im Ghetto von Riga und nach Auflösung des Ghettos in verschiedenen Konzentrationslagern.  Er  wird am 15.11.1944 in dem 37 km östlich von Danzig gelegenen  KZ Stutthof ermordet. Dort werden Ende 1944 zehntausende von Häftlingen aus den Lagern interniert, die vor der vorrückenden Sowjetarmee aufgelöst werden.

    Schüler der Berufsfachschulklasse Bautechnik der BBS Aurich II mit den zu verlegenden Stolpersteinen

Das Haus Lilienstraße 9

Die Biographien der Opfer werden vorgetragen und deren Fotos gezeigt

 

Sieben weiße Rosen zieren die Stolpersteine

Recherche und Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
(Stand: 9.11.2012)
Foto: Gerda Wolff (Kennkarte v.
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur: Gerd-D. Gauger, Aurich in Kaisers Rock und Petticoats 1918-1959, Aurich 2002, S. 73;
Kalli Gramberg, Aurich von C. B. Meyer bis auf unsere Tage, Drittes Buch , Aurich 1996;
Patenschaft: Insa-M. Sibelis
Verlegetermin: 9. November 2012

 

 

Dr. Alfred Wertheim

Veröffentlicht: 30. Juni 1913 von westermayer in Biografien

alfred-wertheimDr. Alfred WERTHEIM,
geboren am 6. Oktober 1889 in Hannover

 

 

 

Straße: Osterstraße 13
Todesdatum: 5. Januar 1945
Todesort: Auschwitz
Dr. Wertheim war Jurist, Dr. der Rechtswissenschaft und hier in Aurich als Land und Amtsgerichtsrat tätig. Ich (Ulrich Kötting) bin sehr froh, dass Dr. Wilfried Buhr, der mit mir zusammen die Patenschaft übernommen hat, bei der Verlegung persönlich anwesend ist. Zum Leben Dr. Wertheims zitiere ich zunächst aus einem von ihm selbst verfassten Schreiben, das ich seinen im Staatsarchiv Hannover befindlichen Personalakten (Hann. 173, Acc. 31 / 87 Nr. 59 / 2) entnommen habe; auf den Grund dieses Schreibens komme ich später noch zurück. „Am 6.Oktober 1889, als Sohn des Fabrikanten Benno Wertheim in Hannover geboren, besuchte ich das Kaiser-Wilhelmsgymnasium meiner Vaterstadt.
Da es meinen Eltern schwer gefallen wäre, mich studieren zu lassen, verließ ich Ostern 1905 die Anstalt mit der Reife für Obersekunda, um mich dem Kaufmannsberufe zu widmen, von Anfang an von dem Wunsche beseelt, mir durch fleißiges Arbeiten mein Studium wenigstens zum teil selbst zu verdienen.
Nach einer dreijährigen Lehrzeit in einem Hannoverschen Engross- und Exportgeschäft, das heute auch noch besteht, (Max Rosenbaum, Velvets), wurde ich als Handlungsgehilfe angestellt und verblieb in dieser Stellung bis Ostern 1911. Meine ganze freie Zeit in den Mittags- und Abendstunden hatte ich während dieser Jahre unaufhörlich und unermüdlich, energisch und zielbewusst, dazu benutzt, mich durch Selbstunterricht, ohne irgend welche fremde Hilfe, zur Reifeprüfung vorzubereiten. So gab ich denn Ostern 1911 meinen Beruf auf und meldete mich zur Reifeprüfung, die ich am 12.September 1911 am Gymnasium zu Hannoversch-Münden als Extraneer bestand.
Von Okt. 1911 bis Okt. 1914 studierte ich in Berlin und Göttingen Rechtswissenschaft und bestand am 5. Dez. 1914 ohne Wiederholung das Referendarexamen.
Nachdem ich am 12. Dez. 1914 zum Referendar ernannt und am 21. Dez. 1914 als Beamter beeidigt worden war, habe ich mich am 31. Okt. 1919 zur zweiten juristischen (großen) Staatsprüfung gemeldet, die ich am 29. April 1920 ebenfalls ohne Wiederholung bestand.
Nachdem ich am 29. April 1920 zum Gerichtsassessor ernannt war, heiratete ich am 21. 7.1921 meine jetzige Ehefrau Lotte Kurth, geb. am 11.Sept.1880.Während der Assessorenzeit hatte ich zum Teil bezahlte Aufträge (Kommissorien) und zwar
1. bei der Staatsanwaltschaft Hannover von Mai 1920 bis 1.Nov.1921.
2. beim Landgericht Hannover vom 1. Dez.1921 bis 1. Juni 1922.
3. beim Amtsgericht Harburg vom 11. Juni 1922 bis 25. Juli 1922.
4. beim Amtsgericht Hannover vom Januar bis 13.3.1923.
5. beim Amtsgericht Hoya vom 15. März bis 11. Juni 1923.In der übrigen Zeit war ich unbesoldet und lebte zum Teil von den mir gewährten Unterhaltszuschüssen, zum Teil von dem, was meine Frau durch Privatunterricht verdiente.
Da ich mir auf die Dauer den Luxus eines auftragslosen Assessors nicht leisten konnte, ging ich zunächst zur Finanzverwaltung über, in der ich während einer informatorischen Beschäftigung vom 12.6.23 bis 1.4.24 eine auskömmliche Vergütung erhielt.
Die Liebe zum juristischen Beruf veranlasste mich jedoch zur Rückkehr zur Justiz, obgleich, wie mir damals bekannt war, bis 1922 eine Anstellungssperre bestand, und richterliche Aufträge nur an ständige Hilfsarbeiter (Amtsrichter, Landrichter, Staatsanwälte) vergeben wurden. Dennoch tat ich den Schritt, weil ich auf keinen Fall von der Finanzverwaltung übernommen werden wollte.
Da ich andererseits unter allen Umständen auf Erwerb angewiesen war, nahm ich bei der Justizverwaltung, in der mir nach Vorstehendem jedwede Aussicht auf eine entgeltliche richterliche oder staatsanwaltschaftliche Beschäftigung fehlte, eine Bürohilfsarbeiterstelle im mittleren Justizdienst an. In dieser Stelle verblieb ich vom 15. April 1924 bis etwa Ostern 1925. Von da hatte ich Anwaltsvertretungen bis zum 15. Sept. 1925. Nach einem einmonatigen Urlaub hatte ich dann bis zu meiner im Sept. 1926 erfolgten Ernennung zum Landgerichtsrat richterliche Aufträge.“ Im Oktober 1926 trat Dr. Wertheim seinen Dienst an und wohnte zunächst provisorisch in der Schulstraße 6. Am 6.12. mietete er eine Wohnung in der Leererstraße (heute Leerer Landstraße) 24 an, in die dann am 20.12.1926 auch seine Ehefrau einzog. Nach knappen 3 1/2 Jahren verzog er in den Kirchdorfer Weg 15, wo er bis zu seinem am 1.2.1933 erfolgten Umzug in die Julianenburger Straße 3 wohnte. Nach etwas mehr als 1 Jahr mietete er eine Wohnung in der Osterstraße 13 an, wo er bis zum Oktober 1938 wohnte, als ihm nämlich eine Wohnung in der Lilienstraße 9 zugewiesen wurde, die er aber nicht mehr bezog.
Dr. Wertheim erlitt frühzeitig eine Augenerkrankung (grauer Star) auf beiden Augen, die ihn fast blind machte. Ein Auge hatte er operieren lassen, wofür er 1.200,- Reichsmark aufwenden musste. Da sowohl er als auch seine Ehefrau über keinerlei Vermögen verfügte, konnte er sein anderes Auge nicht operieren lassen; bei der Bemessung der Richterkräfte wurde er nur als halbe Kraft bewertet.Seine Ehefrau litt unter einer psychischen Erkrankung; sie befand sich häufiger in Heilanstalten. In einem Bericht des Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle vom 28.5.1929 zu einem Versetzungsgesuch Dr. Wertheims nach Hannover heißt es u.a.:
„Nach mündlicher Mitteilung des Richters leidet seine Ehefrau – die 49 Jahre alt ist – an Melancholie; auch sollen paranoide Erscheinungen vorhanden sein. Frau Wertheim befindet sich deshalb z.Zt. in der Heilanstalt Rasemühle bei Göttingen. Wann eine Besserung ihres Zustandes zu erwarten ist, ist nach Angabe der Ärzte nicht abzusehen, so daß also vorderhand eine Versetzung ihres Ehemannes für sie selbst ziemlich bedeutungslos ist“.
Der Hauptgrund für die Abneigung der Frau Wertheim gegen einen Aufenthalt in Aurich scheint der zu sein, dass sie – die selbst evangelisch ist – in Aurich wegen des jüdischen Bekenntnisses ihres Ehemannes unter Antisemitismus leiden zu müssen glaubt – eine Annahme, die ihr Ehemann für unzutreffend hält.“

Eine Versetzung Dr. Wertheims erfolgte nicht.

Dr. Wertheim betätigte sich auf juristischem Feld für die jüdische Gemeinde in Aurich. Über seine Einstellung zum Dienst und seine Tätigkeit als Richter äußerte er sich wie folgt:
„Ich habe mich weder politisch betätigt, noch je einer Partei angehört.
In meiner Rechtsprechung habe ich mich auch bei politischen Prozessen niemals beeinflussen lassen. Ich habe bei den in Aurich öfter vorgekommenen, nicht unbedeutenden Landfriedensbruch- und sonstigen politischen Prozessen der letzten Jahre, in denen ich wiederholt den Vorsitz des Schöffengerichts zu führen hatte, selbst bei den Nationalsozialisten stets Anerkennung meine objektiven Tätigkeit gefunden, das in einem besonderen Falle sogar dadurch mal zum Ausdruck kam, dass mir nach der Verhandlung mitgeteilt wurde, die Nationalsozialisten hätten bedauert, mich anfangs der Verhandlung abgelehnt zu haben. Das war vor zwei Jahren (im Jahre 1931), als mit einer Revolution noch nicht zu rechnen war.“

Kurz nach der Machtergreifung, bereits am 1. April 1933 teilte der Landgerichtspräsident in Aurich dem Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle unter dem Betreff „Beurlaubung jüdischer Richter“ mit, er habe dem Landgerichtsrat Dr. Wertheim „seinem Antrage entsprechend, bis auf weiteres beurlaubt“. Einen solchen Antrag Dr. Wertheims habe ich den bis zu diesem Zeitpunkt mit preußischer Genauigkeit (und damit auch Vollständigkeit) geführten Personalakten jedoch nicht entnehmen können.

In einem Dr. Wertheim betreffenden Erlass des Preußischen Justizministers vom 26. Juni heißt es:
„Durch den beifolgenden Abschied sind Sie auf Grund des § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I. S. 175) zum 1. Oktober 1933 in den Ruhestand versetzt. Ihre Beurlaubung dauert bis zu diesem Zeitpunkt fort.
Ein Ruhegehalt steht Ihnen auf Grund des § 8 a.a.O. in Verbindung mit Ziffer 2,3 zu § 8 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 6. Mai 1933 (RGBl. I. S. 245) nicht zu….“

Gegen die Aberkennung des Ruhegehaltes wendet sich Dr. Wertheim mit einem umfangreichen Schreiben über seine persönliche Situation, aus dem ich bisher zitiert habe. Hierzu nimmt der Präsident des Landgerichts wie folgt Stellung:
„Wertheim ist auf Grund des § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 zum 1. Oktober d. Js. in den Ruhestand versetzt. Weiteres, namentlich §4 a.a.O., lag gegen ihn nicht vor.
W. war zeitweise Vorsitzender des Schöffengerichts in Aurich. Als solcher hat er sich in politischen Strafsachen weder gegenüber linksradikalen Elementen unangemessen weich, noch gegenüber Nationalsozialisten unangebracht scharf gezeigt. Im Gegenteil hat W. gegenüber Kommunisten hier und da eine anerkennenswerte Energie aufgebracht, und sich Nationalsozialisten gegenüber einer von diesen wiederholt anerkannten besonderen Objektivität befleißigt. Es wird mir das vom Justizfachschaftsleiter in Aurich auf Grund seiner persönlichen Beobachtungen in Hauptverhandlungen ausdrücklich bestätigt“.

Der Präsident des Landgerichts schließt seinen Bericht wie folgt:
„W. wird durch seine Entlassung ohne jedes Ruhegehalt hart getroffen. Der seiner Rasse sonst eigene skrupellose Geschäftssinn und die allgemeine Versiertheit, die dem Juden jede Umstellung ermöglicht und ihn immer wieder auf die Füße fallen lässt, geht W. völlig ab. Er ist ein ungewöhnlich unpraktischer und hilfloser Mensch, dem es ohnehin besonders schwer würde, sich eine neue Existenz zu schaffen“.

Dr. Wertheim erhält schließlich im Dezember 1933 für die Dauer von 2 Jahren ein Ruhegehalt von 222,- Reichsmark gewährt, das später dann bis Ende 1939 weiter bewilligt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt lebt Dr. Wertheim aber schon nicht mehr in Aurich. Im Oktober 1938, als ihm eine Wohnung in dem Haus Lilienstraße 9, das wir gleich aufsuchen werden, zugewiesen wird, trennen sich die Eheleute: Seine Ehefrau zieht nach Hannover zurück; Dr. Alfred Wertheim emigriert in die Niederlande nach Groningen. Am 9. 9. 1943 wird er von der GESTAPO in Hilversum verhaftet. Wie er dann in das KZ Vught gelangt, konnte nicht ermittelt werden. Jedenfalls aber wird er mit dem letzten Transport am 3.6.1944, mit dem das KZ praktisch aufgelöst wurde, nach Auschwitz deportiert, wo er noch kurz vor der Befreiung am 5.1.1945 ermordet wird.

Eine ausführliche Biografie von Dr. Wertheim findet sich im Buch „Stolpersteine Aurich“ und kann auch auf dem Blog des Verlages eingesehen  werden.

Das Haus Osterstraße 13

Recherche: Ulrich Kötting
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
(Stand 26.04.2013)
Fotos: Günther Lübbers
Opfergruppe: Juden
Quellen: Personalakte Dr. Alfred Wertheim, Staatsarchiv Hannover (Hann. 173, Acc. 31 / 87 Nr. 59 / 2)
Literatur:
Patenschaft: Ulrich Kötting und Dr. Wilfried Buhr
Verlegetermin: 9. November 2012

Alma Wolf

Veröffentlicht: 28. Juni 1913 von westermayer in Biografien

alma-wolff-1Alma WOLFF
geboren am 26. April 1901 in Aurich

Straße: Lilienstraße 9
Todesdatum: 12.07.1942
Todesort: Berlin
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In der Lilienstraße 9 wohnte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Familie von Henriette und Selke Levy gen. „Selly“  Wolff.  Das Haus gehörte Selly Wolff seit er es 1895 von Wolf Samson erwarb. Henriette und Selly Wolff  hatten zusammen 12 Kinder. Nur 3 ihrer Kinder überleben den Völkermord an den Juden. Henriette von der Walde (Lt. Geburtenregister 1844-1931: „van der Walde“) wurde am 24. Juli 1875 als einziges Kind von Magnus Abraham von der Walde (1848 – 1932) und Karoline Gütel Levy,  geb. Wolf (1853 – 1917) in Aurich geboren.
Henriette heiratete am 4.12.1894 im Alter von 19 Jahren den Schlachter und Viehhändler  „Selly“  Wolff (1863 -1930).

Selly Wolff war das jüngste von sieben Kindern von Levy (1818-1869) und Eva Wolff (1825-1901). Sein älterer Bruder Abraham wohnte mit seiner Familie gegenüber in der Lilienstraße 12.

Selly Wolff war ein nicht nur in der Stadt Aurich, sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus  bekannter Viehhändler und Schlachter, der regelmäßig in den „Ostfriesischen Nachrichten“ sein „Ausstellungs- Fleisch, Das Beste vom Besten“ annoncierte.  Seine Enkeltochter, Hannelore Wolff, die heute in den USA lebende Laura Hillman, die den Völkermord überlebte, weil ihr Name auf Schindlers Liste gesetzt wurde, erzählt in ihrem Buch „I will plant you a lilac  tree“ /Ich werde Dir einen Fliederbaum pflanzen“, dass sie im KZ Brünnlitz  auf einen SS-Wachmann aus Moordorf traf, der sie zunächst schikanierte, dann aber, als ihr ein Plattdeutsches Wort herausrutschte,  freundlicher wurde und erzählte, dass er in Ostfriesland einen Viehhändler namens Selly Wolff gekannt habe.  Hannelore wagt es damals nicht, sich als dessen Enkeltochter erkennen zu geben.
In einer Mail  berichtet Laura Hillman über ihren Großvater, dass er immer hilfsbereit gewesen sei und anderen oft aus finanziellen Schwierigkeiten geholfen habe, oft so, dass diese nicht bemerken konnten, woher die Hilfe kam.
Kalli Gramberg erzählt im 3. Band seiner Rückblicke auf die Auricher Geschichte über den Schlachter Selly Wolff folgende Anekdote: „Als seine vielen Kinder noch klein  waren, saßen sie oft auf den Steinen des Bürgersteigs. Selly rief: “Jonni, Luti, Abi“ (usw.)“wollt ihr wohl mit de blode Moors von de kalte Schteine ab!“

Selly Wolff verstirbt  am 23. August 1930. Seine Söhne Ludwig ,  Magnus und Abraham, die schon 1926 als Schlachter und Viehhändler in der Lilienstraße 9 aufgelistet  werden, führen das Geschäft ihres Vaters unter seinem Namen  weiter.

wolff-alma-geb-26-04-1901-in-aurich

Alma Wolff 1939 (Foto der Kennkarte , StA Aurich)

Alma ist das 5. Kind von Henriette und Selly Wolff. Alma bleibt ledig und arbeitet als Haushaltshilfe von 1925-1931 in Halberstadt. Von dort kehrte sie wieder zu ihrer Mutter in die Lilienstraße 9 zurück.
Am 26.02.1940 muss sie wie alle noch verbliebenen Juden ihre Heimatstadt Aurich verlassen und zieht nach Berlin-Lichterfelde in die Straße Jungfernstieg 14, später in die Auguststr. 14-15 in Berlin-Mitte. Die Räumlichkeiten des früheren jüdischen Krankenhauses in der Auguststr. 14-15 dienten noch bis zum Ende des Krieges als Sammellager für alte und kranke jüdische Menschen, die von hier aus in die Konzentrationslager deportiert wurden.
Alma Wolff verstirbt dort am 12.07.1942. Als Todesursache werden „Knochenfraß der Wirbelsäule und zunehmende allgemeine Körperschwäche“ angegeben. Alma wird 41 Jahre alt.
Der Hinweis auf dem Stolperstein „Tot bei Bombenangriff“ beruht auf einer Fehlinformation.

Recherche und Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
(Stand 5.02.2022)
Foto: Alma Wolff, Kennkarte v. 16.05.1939
Opfergruppe: Juden
Quellen: Sterberegister Berlin-Mitte Nr. 3194/1942
https://de.wikipedia.org/wiki/Auguststra%C3%9Fe_(Berlin)
Literatur:
Patenschaft: Stadtführervereinigung Aurich
Verlegetermin: 9. November 2012

 

Hedwig Salomons, geb. Friedenberg

Veröffentlicht: 17. April 1912 von kde in Biografien

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Adolf A. Aron

Veröffentlicht: 29. November 1911 von kde in Biografien

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David Isaak Wolff

Veröffentlicht: 11. Dezember 1012 von Leon in Biografien

David Isaak Wolff 1David Isaak WOLFF
geboren am 13. Mai 1889 in Aurich


Regina Wolff
Regina WOLFF, geb. GUMPERT
geboren am 21. Februar 1891 in Ahaus

Kurt David WolffKurt David WOLFF
geboren am 14. August 1921 in Aurich

Straße: Ostertorplatz 14 / heute Große Mühlenwallstraße 34
Todesdatum: Unbekannt (Deportation nach Auschwitz am 16.02.1943)
Todesort: Auschwitz
David Isaak Wolff wurde am 13. Mai 1889 in Aurich geboren. Am 18 Mai 1920 heiratete er die zwei Jahre jüngere Regina Gumpert (* 21. Februar 1891 in Ahaus) und zog mit ihr nach Aurich. Das einzige Kind Kurt David Wolff wurde am 14. August 1921 dort geboren.
Im Jahre 1920 gründete er mit seinen Brüdern Jakob und Sigfried die Textilmanufaktur David Wolff und Gebrüder am Ostertorplatz 14. Der Ostertorplatz war zu dieser Zeit eine der besten Stadtlagen in Aurich.
David Wolff war ein sehr geselliger Mensch, so nahm er im Januar 1929 zum Beispiel an einer Theateraufführung anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Israeltischen Frauenvereins Aurich teil. Das Theaterstück wurde in der „Mauschelsprache“ aufgeführt. Die Bezeichnung ist abgeleitet von Mausche= Moses, das heißt sprechen wie Moses.
In dieser Zeit entwickelten sich auch Spielkontakte zwischen jüdischen und nichtjüdischen Nachbarskindern. Sie zogen zusammen am Martiniabend (10. November) mit Laternen (Kipp-Kapp-Kögels) oder Masken (Scherbellenskoppen) von Haus zu Haus.
Doch mit der Machtübernahme wurden die Juden zunehmen recht- und wehrlos. In allen Städten und Orten setzte am 1. April um Punkt 10 Uhr die Boykottbewegung gegen die jüdischen Geschäfte mit voller Wucht ein. SS- und SA-Leute stellten sich mit Schildern vor den jüdischen Geschäften auf und zeigten mit Schildern, die Inschriften wie „Kauft nicht bei Juden“ trugen, ihre Abscheu gegen die Juden.
Am frühen Morgen des  10. Novembers 1938 in der sogenannten „Reichspogromnacht“ wurde die Familie Wolff gewaltsam aus ihrem Haus vertrieben. Einer der SA-Männer schoss vom Bürgersteig aus in die Scheibe des ersten Stockwerkes und das Schaufenster wurde mit einem Balken zertrümmert. Das Geschäft wurde verwüstet und das Lager teilweise ausgeraubt. Die Familie wurde wie alle anderen Juden auch an der brennenden Synagoge vorbei zur Landwirtschaftlichen Halle geführt. Dort angekommen wurden Frauen, Kinder und einige Gebrechliche nach Hause entlassen. Alle anderen wurden in der Halle festgehalten und von den SA-Männern schikaniert. Sie mussten zum Beispiel Bockspringen oder Drittenabschlag ausführen, dabei wurden sie mit Tritten und Schlägen angetrieben. Einige der Männer wurden blutig geschlagen und sie bekamen weder Essen noch Trinken. 40-50 arbeitsfähige Männer wurden ausgewählt und zum Ellernfeld geführt. Dort mussten sie Gräben ausheben, Rohre tragen und Sand karren. Da auf dem Ellernfeld große Berge Sand aufgeschüttet wurden, dachten viele Juden, dass sie erschossen werden. Etwa gegen 16 Uhr wurden die Juden zurück zur Landwirtschaftlichen Halle geführt. Es war ein Fernspruch der Gestapoleitstelle Wilhelmshaven eingegangen mit der Anweisung, alle männlichen Juden bis zu 60 Jahren in Schutzhaft zu nehmen. Nach dem die Juden in Schutzhaft genommen wurden, hat man sie ins Gefängnis gebracht. Am Morgen des 11. Novembers bekamen sie eine Ration Brot und ein Stück Wurst, die viele natürlich nicht aßen, da sie nicht wussten ob die Wurst koscher war. Abends bekamen sie eine Suppe mit kleinen Stücken Schweinefleisch drin, die wieder einige der Juden nicht essen wollten. Am nächsten Tag wurden sie mit Bussen zuerst nach Westerstede,  wo sie sich einige Kleider kaufen durften, und dann weiter nach Oldenburg gefahren. Dort wurden alle Juden der Region in eine große Halle getrieben, von der aus sie zum Bahnhof laufen mussten. Im Konzentrationslager Sachsenhausen angekommen wurde von den Juden verlangt, Laufschritt zu machen und sich dann auf dem Appellplatz zu versammeln.  Dort hat die SS die Juden 24 Stunden stehen gelassen, sie durften sich nicht einmal bewegen.Die Brüder blieben wahrscheinlich bis Silvester 1938 dort, jeden Morgen mussten sie arbeiten, schwere körperliche Arbeit.
Nachts mussten sie auf Stroh in großen Baracken schlafen, im November. Nach 6 Wochen Lagergefangenschaft durften die Juden wieder nach Hause zu ihren Familien. Doch in Aurich war nichts mehr wie es war, die Synagoge war abgebrannt und die Gottesdienste fanden in privaten Häusern statt. Es gab weder Gebetsbücher noch eine Thora-Rolle. Wer die Möglichkeit hatte, hat Aurich nach den Geschehnissen  der Reichskristallnacht verlassen.David, Jakob und Sigfried Wolff gründeten ca. 1920 die Textilmanufaktur David Wolff und Gebrüder am Ostertorplatz 14. Das Haus kauften sie 1919 für 45.000 RM wobei man aber nicht sagen kann, dass das Haus auch so viel Wert war, da im Jahre 1919 die Inflation begann und das Geld einen hohen Wertverlust erlitt. Das Geschäftshaus in der unteren Etage hatte eine Grundfläche von ca.  100m², die Wohnung im Obergeschoss hatte ca. 60m² Wohnfläche. Das Textilhaus lag in einer Straße mit der besten Stadtlage und die Brüder waren häufig auf Märkten mit einem Stand vertreten. Irgendwann im Laufe der Jahre stieg Siegfried Wolff aus der Firma aus. Im Jahre 1938 beauftragten die Gebrüder David und Jakob Wolff einen Auktionator mit dem Verkauf des Hauses. Der Grund des angeblich freiwilligen Verkaufes war die Finanzierung einer Auswanderung ins Ausland.
Daraufhin meldeten sich einige Interessenten, die allerdings erst von der Industrie- und Handelskammer überprüft werden mussten, ob sie dazu berechtigt, sind ein Manufakturwaren- und Fertigkleidungsgeschäft zu leiten.

In der Reichsprogromnacht wurde das Geschäft zerstört und geplündert. Das Warenlager hatte zu der Zeit einen Wert von 40.000 RM, das Wohn-und Geschäftshaus hatte einen Wert von 60.000 RM. Die Nationalsozialisten brachten die Waren aus dem Lager in ein Zwischenlager im „Brems Garten“. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die beiden Brüder im Konzentrationslager Sachsenhausen und konnten den Verbleib der Waren und Möbel nicht überwachen.

Am 20. Dezember 1938 wurde das Haus an einen Kaufmann aus Haren für 32.000 RM verkauft.

Nach Kriegsende wurde in einem Antrag auf Rückerstattung von Vermögen über das Erbe von David und Jakob Wolff verhandelt. Der Bevollmächtigte für das Verfahren war Dr. jur. Anklam, ehemaliger Bürgermeister von Aurich. Antragsteller war der Bruder Abraham Wolff der vor dem Krieg nach Argentinien flüchtet. Durch das Wiedergutmachungsverfahren wurde das Erbe der Brüder gerecht auf beide Familien aufgeteilt.

David Wolff flüchtete mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind am 16. Januar 1939 nach Hengelo, Niederlande. Dort wohnten sie wahrscheinlich mit Frida Sommerfeld-Gumpert, der Schwester von Regina, und ihrem Mann, in einem Haus in der Elezenstraat 23.

Jakob Wolff zog mit seiner Frau und den Kindern zu Verwanden nach Bremen. Sie wohnten dort zusammen mit Irma Heidemann, geb. Löwenstein und ihrem Mann im Haus Außer der Schleifmühle 77 in Bremen.

Die Familie David Wolff wurde am 5. Oktober 1942 nach Westerbork interniert. Westerbork war ein sogenanntes „KZ Sammellager“. Von hier aus wurden die Juden in die Konzentrationslager deportiert. Die Deportation der Familie Wolff nach Ausschwitz erfolgte am 16. Februar 1943. David Wolff und seine Frau Regina, wurden bei ihrer Ankunft am 19. Februar 1943 sofort vergast. Kurt David arbeitet noch einige Monate im Lager und starb am 30. November 1943.

Die Familie Jakob Wolff wurde von Bremen aus über Hamburg nach Minsk, Weißrussland deportiert und dort vergast. Das Todesdatum ist unbekannt.

Recherche: Nicole Campen/Inka Siebels (Stand: 12.06.2012)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer

Das Haus Ostertorplatz 14, heute Große Mühlenwallstraße. Wegen Entfernung des Bürgersteiges vor dem Haus wurden die Stolpersteine vor einigen Jahren im Fußweg hinter dem Haus neu verlegt.

Fotos: Günther Lübbers
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur:
Patenschaft: Dr. Klaus Schwalbach (für David Isaak Wolff)
Prof. Heinz Antholz (für Regina Wolff, geb. Gumpert)
Peter Kardelke für FOT BBSII (für Kurt David Wolff)
Verlegetermin: 12. Juni 2012

Wilhelm Wolff

Veröffentlicht: 11. Dezember 1012 von Leon in Biografien

 

Wilhelm WOLFF
geboren am 19. Februar 1896 in Aurich

Straße: Krähennestergang 1
Todesdatum: Unbekannt (Deportation nach Tallin am 26.09.1942)
Todesort: Tallin
Wilhelm Wolff wurde am 19. Februar 1896 in Aurich/Ostfriesland geboren.

Seine Mutter, Amalie Wolff geborene Fromm, war die Besitzerin des Hauses im Krähennestergang1. Amalie Wolff war eine geborene Fromm und hatte Rahel Bamberger und Seligmann Fromm als Eltern. Seligman Fromm, der Großvater von Wilhelm Wolff, war somit höchstwahrscheinlich der Cousin des berühmten Psychoanalytikers Erich Fromm (1900-1980).

Seine Geschwister waren Abraham Wolff, der 1919 im 1. Weltkrieg fiel, und Recha, geboren 1.10.1900, für die ebenfalls am Krähennestergang 1 ein Stolperstein verlegt wird.

Wilhelms Vater hieß Benjamin Wolff und ist am 5. Februar 1854 geboren. Er war lange Lehrer an der jüdischen Volksschule Aurich und anschließend „Ruhelehrer“. Einer Anzeige kann man entnehmen, dass er am 28. August 1934 „plötzlich und unerwartet, aber sanft“ gestorben ist.

Wilhelm Wolff hat mit der Familie van der Wall zusammen im Krähennestergang1 gewohnt. Er war Kultusbeamter und blieb ledig. Zwischen dem 14.01.1927 und dem 1.04. 1929 war er in Leer am Standort der Synagoge gemeldet. Vom 1.01.1932 bis 1.10.1933 wohnte Wilhelm in Mayen in der Eifel.

Vom 9.11. bis 23.12.1938 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Das war eine häufige Strafaktion nach der Pogromnacht. Von dort kehrte er aber noch einmal nach Aurich zurück.

Zum 1.04.1940 sollte Aurich „judenfrei“ sein. Deswegen verließ Wilhelm mit Recha Aurich mit Ziel Berlin. Am 26.09.1942 wurden beide, ausgehend von dem in einer ehemaligen Synagoge eingerichteten Sammellager vom Güterbahnhof Putlitzstraße nach Raasiku, nahe dem heutigen Tallin deportiert. Dieses Lager war als Tötungsstätte eingerichtet.

Vermutlich wurden Wilhelm und Recha Wolff bald nach der Ankunft getötet. Von 1.049 Deportierten dieses Zuges haben nur 26 überlebt.

Fotos von der Stolpersteinverlegung (Günther Lübbers)

 

Recherche: IGS (Stand: 12.06.2012)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur:
Patenschaft: Rainer Kittelberger
Verlegetermin: 12. Juni 2012