 Rosa Wolffs geb. Stahl
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Rosa Wolffs wird am 23. April 1890 in Norden geboren. Sie ist die Tochter des Eisenwarenhändlers Lazarus Stahl und dessen Ehefrau Sophie, geb. Weinberg. Rosa ist das achte und jüngste Kind der Familie.
Am 1. März 1914 heiratet sie den Viehhändler Heimann Wolffs aus Aurich und zieht nach der Hochzeit zu ihm in das gemeinsame Haus in der Lindenstraße 12, heute Georgswall 23.
Rund drei Jahre später bekommt das junge Paar zum ersten Mal Nachwuchs: Die Zwillinge Lazarus und Wolff werden am 16. Juni 1917 geboren. Beide werden jeweils nach einem ihrer Großväter benannt. Rund zweieinhalb Jahre später, am 17. Januar 1920, kommt ihr Sohn Julius auf die Welt. Er wird leider nur 9 Tage alt.
Am 31. Oktober 1926 wird Sohn Otto Wolffs geboren und fast genau zwei Jahre darauf erblickt schließlich das Nesthäkchen Tochter Guste Margrit das Licht der Welt.
Zu diesem Zeitpunkt geht es der Familie noch sehr gut: Der Betrieb ihres Mannes floriert, so dass das Haus laut späterer Zeugenaussagen über eine „schöne Einrichtung“ verfügt – hierzu gehören Silberbesteck, Kristallvasen oder auch ein Piano. Im Haushalt wird Rosa zudem von Hausmädchen unterstützt.
Der Machtantritt der Nationalsozialisten im Januar 1933 ändert dies jedoch grundsätzlich. Die Familie hat nun mehr und mehr unter Boykotten und Schikanen zu leiden und muss schließlich auch ihren Betrieb aufgeben.
Ein schlimmer Schicksalsschlag trifft Rosa im November 1938: Ihr Mann Heimann wird verhaftet und im Konzentrationslager Buchenwald interniert. Am 17. Dezember wird ihr Mann schließlich entlassen – vorzeitig, weil er als Freiwilliger und mit Auszeichnung im Ersten Weltkrieg gekämpft hat. Heimann, der in der Haft schwer erkrankt ist, stirbt nur fünf Tage nach seiner Heimkehr in Folge der erlittenen Misshandlungen.
Rosa ist plötzlich Witwe und muss ihre beiden jüngeren Kinder, Otto und Guste Margrit, gerade 10 und 12 Jahre alt, nun allein großziehen. Die Ereignisse der Pogromnacht waren es wohl, die Rosa endgültig die Augen geöffnet hatten – nach dem Tod ihre Mannes setzt sie nun beherzt alles daran, ihre Kinder und auch sich selbst durch eine Flucht ins Ausland zu schützen.
Sie hat erfahren, dass es die Möglichkeit gibt, Kinder mit einem „Kindertransport“ nach England in Sicherheit zu bringen und bemüht sich um Plätze für Otto und Guste Margrit. Um beide auf ein Leben in dem fremden Land vorzubereiten, sorgt sie sogar dafür, dass sie Englischunterricht erhalten. Im Abstand von zwei Wochen, am 17. und am 31. Mai 1939, muss sich Rosa von beiden Kindern trennen: Für beide konnte sie die begehrten Plätze bei einem Kindertransport bekommen.
Sich von ihren Kindern zu verabschieden muss Rosa sehr schwer gefallen sein, auch wenn sie noch hoffte, nach England nachkommen zu können. Rosa bereitet alles für eine Auswanderung vor und verkauft Ende Juli 1939 das Haus. Auch die nötigen Papiere scheinen vorgelegen zu haben, doch der Kriegsbeginn am 1. September macht alle Pläne zunichte: Rosa kann nicht mehr nach England ausreisen. Am 22. Februar 1940 meldet sie sich notgedrungen aus Aurich ab, denn alle Juden erhalten die Aufforderung, Ostfriesland zu verlassen. Rosa zieht nach Essen und bewohnt dort in der Eduard-Lucas-Straße Nr. 42 ein Mansardenzimmer. Über Briefe hält sie Kontakt zu ihren Kindern in England und den Zwillingen, die in die Niederlande ausgewandert sind. Am 27. Oktober 1941 wird Rosa von Essen aus nach Litzmannstadt/Lodz deportiert. Rund sechs Monate später, am 4. Mai 1942, bringt man sie in das 70 Kilometer entfernte Kulmhof – das zum Ghetto Litzmannstadt gehörende Vernichtungslager. Dort wird sie am 5. Mai 1942 vergast.
 Ausgrabungen im ehemaligen Vernichtungslager Chelmno nad Nerem (Kulmhof). Foto Günther Lübbers 2019.
 Gedenkwand innerhalb der Gedenkstätte.
 Zur Verlegung durften wir insgesamt 33 Angehörige und Gäste aus den USA, Israel, Großbritannien und Deutschland begrüßen, darunter alleine 21 Angehörige der Familie Zuns, die sich hier mit uns (Brigitte Weber ganz links, Günther Lübbers obere Reihe links) vor dem Hotel „Hochzeitshaus“ aufgestellt haben.
 Das Haus Lindenstraße 12, heute Georgswall 23, beherbergt Teile des Bauamtes der Stadt Aurich und liegt direkt neben dem Rathaus.
 Die sechs Stolpersteine mit Fotos der mit Rosen geehrten früheren Bewohnern.
 Hier spielt die Bläserklasse des Gymnasiums Ulricianum Aurich unter der Leitung von Frau Könemann-Glashoff zu Ehren der Familie Wolffs auf. Wolff Heimann Wolffs war der letzte jüdische Abiturient des Ulricianums, alle Patenschaften für die Familie wurden von dieser Schule übernommen.

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| Quellen: |
Staatsarchiv Aurich: Meldekartei; Rep. 248, Nr. 943; Rep. 248, Nr. 947; Rep. 16/1, Nr. 4155; Rep. 107, Nr. 1874; Rep. 107, Nr. 2676
http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html, 05.03.2014
Telefongespräch mit Bettina Schönfeld, Tochter von Otto und Enkeltochter von Heimann Wolffs, am 03. Juli 2014
Telefongespräch mit Margaret Silbermann, Tochter von Heimann Wolffs, am 27. Juni 2014 |
| Literatur: |
Johannes Diekhoff: Die Auricher Judengemeinde, in: Aurich im Nationalsozialismus, hrsg. v. Herbert Reyer (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands, Bd. 69), 247-299Jan Lokers: Boykott und Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschaftsleben Ostfrieslands (1933-1938), in: Ostfriesland im Dritten Reich. Die Anfänge der national-sozialistischen Gewaltherrschaft im Regierungsbezirk Aurich 1933-38, hrsg. v. Herbert Reyer, Aurich 1999, S. 63-82 |