Abraham Wolff Wolffs

Veröffentlicht: 12. Januar 2010 von westermayer in Verlegung

Abraham Wolff WOLFFS
geboren am 18. Januar 1872 in Aurich

Straße: Wallstraße14
Todesdatum: September 1942
Todesort: Chelmno nad Nerem (Kulmhof)
Geboren wird Abraham Wolff Wolffs am 18.01.1872 in Aurich als Sohn des Ehepaares Wolff Selig Wolffs (18.11.1838 – 03.04.1891 in Aurich) und Eva Abraham Wolffs (01.11.1845 – 11.03.1920 in Aurich). Er ist der zweitälteste von 7 Geschwistern.

Am 28.12.1902 heiratet er die Haustochter Betti Wallheimer aus Aurich, Breiter Weg 1, geb. 19.11.1877, Tochter des Schlachters Benjamin Levy Wallheimer und seiner Frau Eva Markus Wallheimer geb. Herzberg.  Die Familien Wolffs und Wallheimer entstammen einem Zweig einer großen „Wolff-Familie“, Nachkommen der „marrones“, die im 17.Jh. nach Norddeutschland, nach einem langen Aufenthalt in Venice, Italien, kamen.

Aus der Ehe gehen 3 Kinder hervor: Wolff Abraham Wolffs, geb. 1904 in Aurich, Erna Abraham Wolffs, geb. 1905 in Aurich und Benjamin Benno Baruch Abraham Wolffs, geb. 1910 in Aurich.

Der Malermeister Abraham Wolffs, genannt „Pinseler“, lebt mit seiner Familie in der Wallstr. 14. (1919 gibt es unter den Berufen der Juden nur 3% Handwerker, 1833 gar keine).  Im 1. Weltkrieg dient er als Landsturmmann im Landsturmbataillon XI/21, stationiert in Diedenhofen, und gehört nach dem Krieg der Sicherheitswehr der Stadt Aurich an.

Nachdem durch gesetzliche Bestimmung der vorläufigen preußischen Regierung eine Neuwahl der Stadtvertretungen angeordnet worden war, war gemäß einem Beschluss sämtlicher Parteien eine gemeinschaftliche Liste zur Bürgervorsteherwahl aufgestellt. Bei der am 23.02.1919 stattfindenden Wahl werden 24 Herren zu Bürgervorstehern gewählt, darunter auch Abraham Wolffs.

1927 wird Wolffs laut einem „Bericht über die Verhältnisse der Synagogengemeinden im Regierungsbezirk Aurich“ neben Abraham van Dyk und Lippmann Knurr als Synagogenvorsteher genannt. Das ist die Bezeichnung einer jüdischen Person, deren Amt es ist, der Unterstützung des synagogalen Betriebes zu Diensten zu sein. Hierzu zählt insbesondere die Unterstützung des Ablaufs der jüdischen Gottesdienste in der Synagoge. Daneben wird er auch als der persönliche Assistent eines Rabbiners bezeichnet. Das Amt des Synagogenvorstehers schließt auch die mögliche Organisation von jüdischen Begräbnissen ein.

Am 12.03.1933 kandidiert er mit seinen jüdischen Mitbürgern, seinem Schwager Levi Wallheimer und Benjamin Samson bei der 1. Kommunalwahl auf der Liste „Handel und Gewerbe“. Auf die Liste entfallen 220 Stimmen, aber sie bleibt ohne Mandat.

Als Synagogenvorsteher ist Abraham Wolffs auch gleichzeitiger Ortsschulvorsteher. Als solcher schreibt er am 10.06.1939 einen Brief an den Bürgermeister mit der Bitte um Weiterleitung an den Reg.-Schulrat. Der bisherige jüdische Schulleiter Max Moses sei in die USA ausgewandert, und es seien schon einige Bewerbungen auf die vakante Stelle hin eingegangen. Der jüdischer Lehrer Hartog aus Norden habe sich bereiterklärt, für eine Übergangszeit 18 Wochenstunden an den Nachmittagen zu unterrichten.  Bemerkung des Bürgermeister in einer Randnotiz an den Reg.-Schulrat: „Meines Erachtens geht es nicht an, dass die Stadt heute noch Kosten für jüdische Schulen trägt. Gibt es hierzu Bestimmungen?“  Auszug aus der Antwort des Reg.-Schulrats an Abraham Wolffs vom 30.06.1939 sinngemäß:„ Ein Lehrer kann nur mit voller Stundenzahl eingestellt werden, Teilzeitunterricht sei nicht ausreichend. Die Synagogengemeinde muss die Kosten selbst tragen.“

Am 30.06.1939 sind noch 28 Wohnhäuser im Eigentum jüdischer Familien. Aus einem Bericht des städtischen Bauamtes vom 10.06.1939 geht hervor, dass zu dem Zeitpunkt noch 29 Wohnhäuser in jüdischem Besitz sind, darunter auch das Zweifamilienhaus der Familie Wolffs, Wallstr. 14.

Abraham Wolffs Söhne Wolff und Benno sind Augenzeugen der „Kristallnacht“ in Aurich am 09.11.1938.  Wolff Wolffs schreibt am 21.09.1975 in Beth Jizchak in Israel, seinem damaligen Wohnort, in einem Bericht: „Meine Erlebnisse in der „Kristallnacht“ 1938“ auch über seinen Vater:

„Am 9. November 1938 gingen wir wie gewöhnlich schlafen. Mitten in der Nacht hörte ich, dass auf der Straße etwas vorging. Ich sprang aus dem Bett und konnte einen großen Feuerschein sehen. Sofort war mir klar, dass dies nur die Synagoge sein konnte oder die jüdische Schule. Im gleichen Augenblick wurde unsere Haustüre eingeschlagen, und eine Gruppe Nazis drang in das Haus ein. Mein Vater, der Malermeister Abraham Wolffs, sowie mein Bruder Benno und ich konnten uns nur notdürftig anziehen und wurden durch die Markt-, Lilien- und Gartenstraße  zur Viehhalle an der Emder Straße gebracht.  Auf dem Wege dorthin konnten wir natürlich sehen, dass die Synagoge brannte.

Im Laufe der Nacht wurden alle Juden in der Halle zusammengetrieben. Dort konnte dann jeder seinem Judenhass freien Lauf lassen.  Auch war natürlich die ganze Prominenz der Nazis des Kreises vertreten. Jeder von ihnen konnte mit uns machen, was er wollte. Fast jeder wurde geschlagen oder musste rennen bis man umfiel.

Mein Vater wurde von einem Händler hervorgerufen, der ein Lebensmittelgeschäft en gros betrieb. Dieser hatte einen besonderen Hass auf meinen Vater. Als mein Vater sich geweigert hatte, weiter von ihm koschere Margarine zu beziehen, für die dieser Händler die Vertretung hatte, und das der Fabrik mitteilte, entzog diese dem Händler die Vertretung. Jetzt konnte der sich rächen. Er schlug auf meinen Vater ein und beschimpfte ihn. Er hörte erst mit dem Schlagen auf, als ein anderer ihm sagte: ‚Wir wollen jetzt noch keine Leichen haben.‘“

Nach der Pogromnacht findet der Unterricht für die verbliebenen jüdischen Kinder in der Wallstraße 14, in einem ehemals als Laden genutzten Raum, statt. Nach einer Zählung der gemeldeten Juden am Stichtag 20.11.1939 liegen zwei unterschiedliche Listen vor, die von 151 bzw. 154 Personen ausgehen, darunter auch Familie Abraham Wolffs.

In einem weiteren Bericht seines Sohnes Wolff werden die Ereignisse um den Akt der Vertreibung der Juden aus Aurich geschildert. Diesen Bericht übergibt er am 11.11.1966 der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Abgedruckt ist er in dem Buch „Die Juden in Aurich“ im Kapitel „Die Auricher Judengemeinde von 1930 – 1940“ von Johannes Diekhoff.  Der Stadt gegenüber unterschreiben Wolff Wolffs und ein jüdischer Glaubensbruder Jakob Wolff am 26.01.1940 für Abraham Wolffs, der krank im Bett liegt, eine Erklärung, aus der hervorgeht, wie sie sich zu verhalten hätten, so dass es dann am 10.04.1940 heißen kann: „Aurich ist judenfrei!“

Lediglich ältere Menschen dürfen noch in einem Altenheim in Emden, einem früheren Waisenhaus, verbleiben.

Dazu gehören auch Abraham Wolffs und seine Frau Betti, die dann am 22.10.1941 über Berlin, Rosenstr. 2-4, nach Litzmannstadt (Lodz) abtransportiert werden. Im September 1942 werden sie in Kulmhof (Chelmno nad Nerem) ermordet.

Ihr Sohn Wolff stellt aus Palästina den Antrag auf ihre Todeserklärung. Am 29.12.1950 werden sie per Beschluss des Amtsgerichts Emden mit dem 08.05.1945 für tot erklärt.

Die Häuser Wallstraße 14 und 16 werden im März 1942 zum Verkauf freigegeben. Der Wert des Grundstücks Wallstraße 14 ist mit 11.600RM angegeben, das Haus ist mit 3705,23 RM belastet. Eine Anfrage des Finanzamtes Emden vom 10.03.1942 an die Stadt Aurich, ob diese an der Immobilie interessiert sei, wird am 31.03.1942 mit Nichtinteresse beschieden.

Anmerkung: Im Historischen Museum der Stadt Aurich wird in der Vitrine mit den jüdischen Exponaten ein Tallit (Gebetsschal) von Abraham Wolffs gezeigt, den er vor 1930 benutzt hat.

Des Weiteren besitzt das Museum einen Tallitbeutel und ein Gebetsbuch aus dem Nachlass von Eva Wolffs, der Mutter von Abraham Wolffs.

Ausgrabungen auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Kulmhof

Gedenktafeln erinnern an die vielen Tausend ermordeten und in Massengräbern verscharrten Opfer in der KZ-Gedenkstätte Chelmno nad Nerem (Kulmhof)

Helga Oldermann trägt die Biographien der Opfer vor dem Haus Wallstraße 14 vor

Recherche: Helga Oldermann
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 27.01.2015)
Fotos: Günther Lübbers
Opfergruppe: Juden
Quellen: Rep 16/2 Nr. 2288
Gedenkbuch Bundesarchiv
Wolff Wolffs: Schreibmaschinengeschriebener Bericht von 1972 und 1975
Dep. 34 B Nr. 860 (Liste der Sicherheitswehr der Stadt Aurich)
Dep. 34C Nr. 889 (Immobilienangebot 1942)
Dep. 34 Nr. 3118 (Protokollbücher der städtischen Vertreter.
Literatur: Hans-Joachim Habben: „ Wirtschaftliche Verhältnisse“ in „Die Juden in Aurich“, Johannes Diekhoff:“ Die Auricher Judengemeinde von 1930-1940 in „Die Juden in Aurich“
Patenschaft: Förderverein Historisches Museum Aurich
Verlegetermin: 27. Januar  2015

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.