Alfred Abraham Wolff

Veröffentlicht: 17. Januar 2010 von westermayer in Verlegung

Alfred Abraham WOLFF
geboren am 25. Juni 1919 in Aurich

Straße: Lilienstraße 12
Todesdatum: 21.05.1943
Todesort: Sobibor
Alfred Wolff wird am 25. Juni 1919 in Aurich geboren. Er ist das achte von neun Kindern von Abraham Levy und Hedwig Wolff, geb. von/van der Walde.

Hedwig bringt neun Kinder zur Welt, vier Töchter und fünf Söhne: Nachman geb. 6.Dezember 1903,
Ludwig 14. Oktober 1905,
Jakob geb. 25. Februar 1907,
Erna geb. 4. Mai 1908,
Herta geb. 18. Dezember 1909,
Iwan geb. 15. Februar 1913,
Sophie geb. 1917,
Alfred geb. 25. Juni 1919, und
Ruth geb. 10. März 1923.
Tochter Sophie stirbt 1917 einen Tag nach ihrer Geburt.

Abraham Levy Wolff, der Vater von Iwan, betreibt in Aurich einen Viehhandel. Ihm gehören das Haus in der Lilienstraße 12, in dem die Familie wohnt, sowie Acker- und Weideland im Hammerkeweg.

Die Lilienstrasse 12 – das Haus hat Abraham im Jahr 1907 erworben – ist Hedwigs Zuhause und bleibt es 37 Jahre lang. Das Ehepaar führt einen Rinderhof und betreibt  Viehhandel. Aus der Meldekartei der Stadt Aurich ist zu entnehmen, dass mehrere, auch nichtjüdische Mieter in ihrem Haus zur Untermiete wohnten. Im Hammerkeweg 32 hatten sie Weide- und Ackerland.

Am 23. Dezember 1923, wenige Tage vor seinem 58. Geburtstag, stirbt Hedwigs Ehemann Abraham Levy Wolff an einer Lungenentzündung. Hedwig ist erst 40 Jahre alt. Im selben Jahr bringt sie ihr jüngstes Kind Ruth Senathe zur Welt, das nun ohne Vater aufwachsen muss.

Ganz auf sich gestellt, ist Hedwig nun gezwungen, allein die Arbeit im Kuhstall sowie den Viehhandel zu organisieren, teilt Lea, Hedwigs Enkeltochter in einem Brief mit. Vermutlich wird sie von ihren Söhnen bei der Arbeit unterstützt, die ebenfalls als Viehhändler tätig sind. Hedwigs Kinder sind zu dieser Zeit zwischen 19 Jahren und acht Monaten alt.  Lea teilt weiter mit, dass ihre Mutter Erna (Hedwigs Tochter)  für den Haushalt verantwortlich war. Hedwig beschäftigt eigene Hausangestellte und beherbergt weiterhin Untermieter. Das Haus wird 1926 auf Hedwigs Namen umgeschrieben. Im Verzeichnis des jüdischen Grundbesitzes in der Stadt Aurich ist sie bis 1941 als Besitzerin eingetragen.
1929 zieht als erste ihre Tochter Herta aus dem Elternhaus aus und heiratet Isaak ter Berg aus Delmenhorst, der gebürtig aus Zuidbroek in Holland stammt. Sie bekommen zwei Kinder – Sigmund wird im Dezember 1930 und Hedwig im Juni 1933 geboren. Es sind Hedwigs erste Enkelkinder. Tochter Erna heiratet 1930 Moses Meyer aus Groningen, wo sie fortan lebt. Erna bringt eine Tochter, Lea Leni, zur Welt

Seit 1935 wird das Leben der jüdischen Bürger Aurichs durch die antisemitischen „Nürnberger Gesetze“ erheblich erschwert. Ihre Entrechtung und die wachsende Feindschaft gipfeln vorerst in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch die Zerstörung der Synagoge in Aurich. An diesem Tag wurden alle jüdischen  Mitbürger jeden Alters von SS und SA aus ihren Häusern geholt und in die sogenannte Bullenhalle, eine landwirtschaftliche Viehauktionshalle getrieben, begleitet von Beschimpfungen, körperlicher Gewalt und Sachbeschädigungen ihrer Wohnungen und Geschäfte. (Diekmann 1993 S. 274 f.)

Alfred Wolff muss diese Misshandlungen nicht mehr miterleben. Er war bereits am 20. April 1938 nach Groningen in Holland zu seinen Schwestern Erna und Herta und deren Familien verzogen. Zwei Monate später flieht auch sein Bruder Iwan nach Holland zu seinem älteren Bruder Ludwig und dessen Familie in Beilen.
Alfred Wolff wohnte seit 1942 bei Familie Kan in der Wassenberghstraat. Er ist Hausdiener.

Am 10.08.1942 heiratet Alfred in Groningen Resi Mildenberg (*1.09.1919 in Lengerich). Sie war 1939 aus Essen nach Groningen  geflohen.

Resi ist die Tochter von Julius Mildenberg und Rosa Weinberg. Sie ist die älteste von 3 Mädchen, von denen eine, Ingeborg, am Beginn des Krieges in die USA immigriert und den Krieg überlebt. Ingeborg verstirbt im Jahre 1993.Seit 1938 wird Resi gezwungen, ihrem Vornamen Sara hinzuzufügen. Dies ist eine Folge der Nazi-Gesetzgebung. Wer nicht schon durch den Vornamen als Jude erkennbar ist, erhält als Frau den Extra-Vornamen Sara und als Mann den Extra-Vornamen Israel. Dieser sogenannte Zwangsname musste in den Geburts- und Heiratsbüchern bei den Standesämtern eingetragen werden. Erst im Jahre 1952 wurde der Zwangsname posthum wieder aus den Büchern gestrichen.

Resi zieht aus Mülheim an der Ruhr in Deutschland am 15. Juli 1939 in das Haus Agnesstraat 1 a in Den Haag. Wie und warum sie in Den Haag landet, ist nicht deutlich geworden.

Am 18. Oktober 1940 verzieht Resi nach Beilen, da es nicht arischen Ausländern nicht länger erlaubt ist, im Küstenbereich zu wohnen. Sie wohnt unter der Adresse Paltz 1.

Resi wird am 4. Juni 1942 in das Einwohnerregister von Groningen eingetragen unter der Anschrift Jan Lutmanstraat 2. Sie heiratet am 10. August 1942 Alfred Wolff. Gemeinsam ziehen sie bei Familie Kan-Elias ein, wo Alfred bereits seit dem 7. April wohnt. Sie ist – in jedem Fall für eine bestimmte Zeit ihres Lebens – zunächst Dienstbote und anschließend Näherin von Beruf. Eine Nichte (die Tochter der einzigen Schwester von Alfred, die den Krieg überlebte) hat an die Nähmaschine von “Tante Resi” noch sehr deutliche Erinnerungen.

Alfreds Geschwister Nachman, Jakob, Ludwig und Ruth Senathe leben zunächst noch im Haus ihrer Mutter. Nachman und Jakob bleiben als einzige Kinder unverheiratet und verlassen als letzte das Elternhaus. Sie bleiben bis zu ihrer erzwungenen Abreise im Februar 1940 und gehören zu den letzten jüdischen Bürgern Aurichs.

Ende Januar 1940 wurde die jüdische Gemeinde durch SS und Gestapo aufgefordert, alle Anstalten für einen Abzug der jüdischen Familien aus Aurich in andere Städte außerhalb des Regierungsbezirks zu treffen. Dies sollte bis zum 1. April 1940 geschehen sein.

Am 26. Februar 1939 verkaufte Nachman als Bevollmächtigter seiner Mutter das Haus. Nachman und Jakob verabschieden sich,  am 27. Februar 1940 endgültig von ihrer Heimatstadt Aurich, ihrem Elternhaus und ziehen nach Berlin um, wo sie in der Friedrichstraße 77 gemeldet sind. Nur der Untermieter Lippmann Knurr mit seiner Schwägerin Henny Knurr verharren noch zwei Tage länger in Hedwigs Haus und verlassen es als letzte am 29. Februar 1940 (Rep. 251, Nr.365). 1943 wird das Haus in der Lilienstraße 12 durch einen Bombenangriff vollständig zerstört werden.

Zu diesem Zeitpunkt (27.06.1939) lebt Hedwig Wolff nicht mehr in Aurich. Sie fasst den Entschluss, mit ihrer 17-jährigen Tochter Ruth nach Holland zu emigrieren. Hedwig verlässt ihr Haus in der Lilienstraße, ihren Viehhof und lässt zwei ihrer Söhne zurück. Die erste Station im Ausland ist Winschoten, wohin sie laut Eintragung in der Meldekartei der Stadt Aurich am 8. März 1939 zusammen mit ihrer Tochter Ruth Senathe emigriert.  Später wohnt sie mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Iwan in der Stationslaan 24 in Beilen.

Hedwig Wolff unternimmt den Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, in der Nähe ihrer Kinder und nunmehr sechs Enkelkinder.

In Groningen lebt bereits seit 1930 ihre Tochter Erna mit Ehemann Moses und Tochter Lea. Auch ihre Tochter Herta ter Berg mit ihrem Ehemann Isaak, ihren Kindern Hedwig und Siegmund aus Delmenhorst sind am 9. Mai 1936 nach Holland geflohen und leben in Hoogeveen, südlich von Beilen (Gedenkbuch). Ludwig Wolff lebt mit seiner Frau Johanna Wolff-Samson und den drei Kindern Albert (*1937), Simon (*1938) und Hedwig (*1941) seit ihrer Emigration am 25. März 1938 in Beilen, wo die beiden jüngsten Kinder zur Welt kommen (Gedenkbuch). Alfred Wolff lebt mit seiner Frau Resi Wolff-Mildenberg ebenfalls Groningen.

Beilen liegt 7,5 Kilometer von der Ortschaft Westerbork entfernt. Zu dieser Zeit befindet sich bei Westerbork ein Flüchtlingslager. Es wurde von den Niederlanden im Jahr 1939 errichtet, um die vielen geflüchteten und verfolgten Juden, Sinti und Roma und Widerstandskämpfer aus Deutschland und Österreich aufzunehmen.

Am 10. Mai 1940 beginnt die Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen. Am 1. Juli 1942 wird aus dem Zentralen Flüchtlingslager Westerbork offiziell ein Durchgangslager unter direkter deutscher Verwaltung (KZ-Sammellager) für die Deportation der niederländischen und deutschen Juden in die Vernichtungslager.
Mit ihrer Internierung in Westerbork muss Hedwig nun vollständig und endgültig alles Hab und Gut verlassen und miterleben, wie alle Familienangehörigen, außer ihre Tochter Erna mit ihrem Ehemann Moses Meyer und ihrer Tochter Lea, zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lager Westerbork interniert werden. Von dort werden sie in die Vernichtungslager im Osten deportiert werden. Am 9. November 1942 wurde Hedwig Wolff im Alter von 59 Jahren in Ausschwitz ermordet.

Alfred Wolff wird zusammen mit seiner Frau Resi am 12.11.1942 in Westerbork interniert. Dort wurden bereits seine Mutter Hedwig zusammen mit seinem Bruder Iwan, seiner Schwester Senathe Ruth und seiner Schwester Herta und ihrer Familie am 3.10.1942 interniert.

Alfred Wolff (24 Jahre) und seine Frau Resi Wolff-Samson  (24 Jahre) wurden am 18. Mai von Westerbork nach Sobibor deportiert und beide am 21.Mai

1943 in Sobibor ermordet.
Iwan Wolff wurde (lt. Gedenkbuch Bundesarchiv) am 30. April 1943 (lt. Liste Westerbork am 16.02.1943) im Alter von 30 Jahren nach Auschwitz deportiert. Sein genaues Todesdatum ist unbekannt.
Ruth Senathe Wolff wurde am 9.02.1943 nach Auschwitz deportiert und dort am 12. Februar 1943 im Alter von 19 Jahren ermordet.

Herta ter Berg (34 J.) wurde zusammen mit ihren Kindern Siegmund (12 J.) und Hedwig ( 10 J.) am 23. Oktober 1942 von Westerbork nach Auschwitz deportiert und am 26.Oktober 1942 in Auschwitz ermordet. Ihr Ehemann Isaak (51 J.) wurde am 24. März 1945 in Auschwitz ermordet.

Ludwig Wolffs Frau Johanna (29 J.) wurde mit ihren Kindern Albert (5 J.), Simon (3 J.) und Hedwig (1 J.) am 9. November 1942 in Auschwitz ermordet. Ludwig Wolff (38 J.) wird am 31. März 1944 ermordet.

Nachman und Jakob Wolff wurden nach der Liste der aus Berlin Deportierten, beide am 26.Oktober 1942 mit dem Transport 22 von Berlin mit 796 weiteren Menschen nach Riga in Lettland deportiert. Dort wurden sie nach der Ankunft am 29.Oktober 1942 umgebracht. (Gedenkbuch Bundesarchiv)

Erna Meyer ist das einzige Kind Hedwigs, das den Holocaust überlebte. In ihrem Brief teilt mir Lea, die Tochter von Erna mit, dass sie sich während des Krieges dreieinhalb Jahre versteckt hielten. Ihre Eltern wurden von einem Bauern versteckt, Lea von einem Pastor. Nach der Befreiung der Niederlande gingen sie zurück nach Groningen. Leas Eltern adoptierten einen 10-jährigen Jungen, dessen Eltern im Holocaust umgekommen sind. 1951 wanderten sie nach Israel aus. Weiter schreibt Lea, dass ihre Mutter Erna 2006 im Alter von 98 Jahre gestorben. Lea ist Ernas einzige Tochter. Sie hat fünf Kinder und acht Enkelkinder.

In Beilen / Niederlande sind drei Stolpersteine in der Stationslaan 24 verlegt worden, für Hedwig Wolff, Iwan Wolff und Ruth Senathe Wolff.  Fünf Stolpersteine wurden im Eursingerweg 1 für die Familie Ludwig, Johanna, Albert, Simon und Hedwig Wolff verlegt. (www.google/maps).

Für Alfred und seine Frau Resi wurden am 8. Dezember 2016 zwei Stolpersteine in Groningen vor dem Haus Wassenberghstraat 23 verlegt.

Die Stolpersteine vor dem Haus Lilienstraße 12

Recherche: Christine Meissner und Maria Deters (Stand 1.01.2013)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
Fotos von der Verlegung: Günther Lübbers
Opfergruppe: Juden
Quellen: – Meldekartei der Stadt Aurich 1900 bis 1940
– Staatsarchiv Aurich: Heiratsregister, Geburtsregister,
Sterberegister der Stadt Aurich- Stadtarchiv Emden, Dr.Rolf Uphoff- Rep. 251, Nr.365, Entschädigungsakte;
– Lea, Enkelin von Hedwig Wolff, Ihr Brief vom 13.10.2012

https://map.stolpersteine.app/nl/groningen/locaties/wassenberghstraat-23

Literatur: – db.yadvashem.org, letzter Zugriff 01.11.2012

– Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in deutschland von 1933 bis 1945“ Website, letzter Zugriff 01.11.2012

– Johannes Diekhoff: Die Auricher Judengemeinde von 1930-1945, in: Herbert Reyer (Hg.): Aurich im Nationalsozialismus 1993, S. 271f.

http://www.allemannia-judaica.de/aurich_synagoge.htm , letzter Zugriff 01.11.2012

http://www.geni.com, letzter Zugriff 01.11.2012

http://www.ancestry.de, letzter Zugriff 01.11.2012

http://www.joodsmonument.nl, letzter Zugriff 01.11.2012

– Grabinschrift aus: www.allemannia-judaica.de/aurich_synagoge.htm

Toekomstige locatie Stolpersteine Beilen – Google Maps

– Thorsten Harms: Die Familien der jüdischen Gemeinden in Ostfriesland, Buch in Vorbereitung

http://www.leer.de/lebens_und_leidenswege_archivpädagogische_ anlaufstelle

Patenschaft: Kirchenamt Aurich
Verlegetermin: 9. November 2012

 

 

 

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