Hanna „Hannchen“ David Cohen geb. Wolff

Veröffentlicht: 21. Januar 2010 von westermayer in Verlegung

Hanna „Hannchen“ David COHEN  geb. WOLFF
geboren am 17. September 1892 in Aurich

Straße: Wallstraße 33
Todesdatum: Unbekannt, Deportation nach Minsk 18.11.1941
Todesort: Minsk
Hanna David Cohen
(Foto Chana Nahari) 

 

 

Hannchen David Cohen geb. Wolff 1939 (Foto der Kennkarte, StA Aurich)

 

 

 

 

 

 

.

.

.

.

.

.

 

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

 

Hanna „Hannchen“ Cohen wird am 17.09.1892 in Großefehn als Hanna David Wolff geboren Ihre Eltern sind David Abraham Wolff und Martha Abraham Samson. Sie hat acht Geschwister.

Hanna heiratet am 15.11.1922 Jakob Moses Cohen aus Aurich. Zusammen haben sie vier Kinder. Es werden zwei weitere geboren, ein Junge, der am Tag der Geburt am 8.05.1926 stirbt, und Zilla, am 18.01.1939 in Aurich geboren und wenig darauf am 30.01. gestorben. Die Familie lebt traditionell religiös. Im nahen Umkreis von Aurich wohnen Verwandtschaft aus Onkeln, Tanten und Kindern. Vielen gelingt vor Ausbruch des Krieges die Flucht ins Ausland, das waren Palästina, Uruguay, Argentinien, Chile und Ecuador.

Hanna ist in jeder Weise Seele und Mittelpunkt der großen Familie, während ihr Mann stets unterwegs ist. Klein, rundlich, herzlich, alle Kinder kamen zu ihr. „Wir Kinder, die wir zu Besuch waren, liebten dieses Aurich (Interview mit der Nichte und Zeitzeugin Lotte Oelsner in Berlin 12. Februar 2017) . Motjes Kinner sünd all dor“, hieß es wenn diese vom Haus der Wallstraße quer durch den Garten Onkel Siegfried Wolff in der Norderstraße 18 aufsuchten – und anderswo.
Ende 1938 ist ihr Mann mit ihrem Schwager Levy Hermann in Köln auf dem englischen Konsulat. Durch einen unerwarteten Fehler im Büro bietet man den Cohen-Brüdern Touristenvisa an, statt der regulären Immigration, die von den Engländern verwehrt wird. Hermann schlägt sofort ein – nichts wie weg, auch ohne Möbel, Jakob dagegen sagt nein – er will seinen Kindern nicht zur Last fallen – in vorsichtiger Erwägung, er könne dort in Palästina wirtschaftlich nicht klarkommen.

Die Cohens verlieren durch Änderungen der Gewerbeordnung, die einem Berufsverbot für diesen judentypischen Erwerb gleichkommt, ihre Wirtschaftsgrundlage. Sie müssen ihr Haus in der Wallstraße 33 aufgeben und in das noch in jüdischem Besitz befindlichen Haus Zingel 3 der Samson-Brüder am 6.09.1939 umziehen.

Am Tag des Novemberpogroms 1938 wird ihr Mann in Aurich verhaftet mit vielen anderen am 10. November nach Sachsenhausen deportiert. Dort muß er bis zum 6. Dezember bleiben. Hannchen ist zu dieser Zeit hochschwanger mit Zilla.

Ihre älteste Tochter Mia erhält über die Jugend-Alijah, eine zionistische Einwanderungsorganisation ein ,Affidavit, eine Genehmigung und Bürgschaft zur Einreise. Sie verläßt Aurich am 24. 11. 39 mit dem Ziel Wien, wo sie anschließend ein Schiff in Bratislava zur Flucht über die Donau besteigt. Ihr Sohn David, er hat ein Affidavit seines Onkels Levy Herman Cohen, folgt ihr vier Wochen später. Er steigt in Triest auf ein Schiff mit Ziel Palästina. Seine Tante nimmt ihn dort auf.

Im Februar 1940 müssen alle Juden Aurich verlassen. Ihre zwei jüngsten Kinder müssen in ein jüdisches Kinderheim nach Köln. Sie zieht mit ihrem Mann am 28. 4. 40 nach Bremen-Vegesack in die Alte Hafenstraße 23. Sie müssen dort Zwangsarbeit leisten.

Hannchen korrespondiert in Rundbriefen mit ihren nach Südamerika geflüchteten Verwandten. Sie schreibt von Widerständen und Enttäuschungen, welche sehr an ihrer Gesundheit gerüttelt hätten. In der Briefreihe ist bei genauem Hinsehen die pure Verzweiflung aus den Zeilen zu lesen. „Meine lieben Brüder, gebe Gott, daß es euch gelingen möge, uns recht bald aus diesem Goles [Exil, Verbannung] zu erlösen. […] Ihr könnt Euch ja wohl unsere Gefühle denken, die Kinder so in die Welt hinein zu schicken, aber es ist eben unser Schicksal, und wir müssen uns damit abfinden, auch Mia wird in Kürze auswandern […] möge der Allmächtige uns bald mit Euch vereinen“. – Hannchen konnte in Vegesack noch erfahren, dass ihre beiden Kinder – Mia nach 1½-jähriger Irrfahrt – in Palästina angekommen und in Obhut ihrer Schwester Erna Schlüssel sind.

Ende Oktober 41 kommen ihre jüngsten Kinder, Martha und Manfred, aus Köln zurück. Martha ist mit der Schule fertig, und Manfred soll nicht allein in Köln bleiben.

Am 18.11.1941 müssen Hannchen und ihre Familie in einen Zug zu einer Sammelstation nach Hamburg steigen, der anschließend nach Minsk

Weißrußland fährt. Die Familie lebt im Ghetto in einem von der deutschen Besatzung abgetrennten Gebiet, welches zuvor die weißrussische Judenschaft bewohnt. Diese wird kurz vor Beginn der Deportation aus dem Reich, Mitte November, vollständig ermordet. Am 28. Juli 42 setzen die deutschen Besatzer erstmals mobile Vergasungsanlagen ein. Das sind Möbelwagen, in deren mit Häftlingen vollgepferchten Laderaum Auspuffgase geleitet wurden. Es wurden alle nichtarbeitsfähigen Lagerinsassen, die Kinder Martha und Manfred, umgebracht.

Es ist nicht belegt, ob Hannchen und ihr Mann unter diesen Opfern waren. Aber auch alle Arbeitsfähigen erlitten bis zum 21.10.1943 das gleiche Schicksal. Ihr Todestag ist nicht bestimmt. Aber in Analogie zu ähnlichen Ereignissen, kann man annehmen, daß auch ihr Todestag der der ihrer dort mitgefangenen Familie war. Von den vielen Tausend dort überlebten nur fünf.

Recherche: Jörg Peter
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 20.01.2018)
Foto: Hanna David Cohen (Foto: Chana Nahari)
Bremen, Vegesack, Alte Hafenstraße 23, 50er J. (Foto: Wiltrud Ahlers)
Opfergruppe: Juden
Quellen: – Nds. Landesarchiv Aurich, Rep 107 Nr. 1786

– Dokumente der Nachkommen

– Interviews mit Zeitzeugen

Literatur:
Patenschaft: Hanna Vaknim
Verlegetermin: 21. Oktober  2016

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.