Minna Selly Wolff

Veröffentlicht: 27. Januar 2010 von westermayer in Verlegung

Minna Selly WOLFF
geboren am 29. Mai 1911 in Aurich

Straße: Lilienstr. 9
Todesdatum: überlebt
Todesort:
Minna wird am 29. Mai 1911 geboren als Tochter des Ehepaares Henriette Wolff geb. Von der Walde und Selke Levy Wolff, genannt Selly Wolff.
Minna ist das 11. von insgesamt 12 Kindern des Ehepaares.
Der Vater der beiden wird 67 Jahre alt und stirbt am 23. August 1930 ohne die Greul der Hitlerzeit zu erleben.Am 30.02.1940 muss ihre Mutter Henriette das Haus „aus sicherheitspolizeilichen Gründen“ verlassen und zieht mit zwei Töchtern nach Weimar. Minna und Abraham haben Aurich zu dieser Zeit schon verlassen. Das Haus Lilienstraße 9 wird noch im selben Jahr zwangsversteigert.
Henriette Wolff wird am 10. März 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt im Alter von 68 Jahren ermordet.
Für sie und sechs ihrer Kinder Rosa Grünberg geb. Wolff, Alma und Magnus Wolff, Gerda Selli Jakobs, Jakob Wolff und Ilse Gutmann geb. Wolff wurden bereits am 9. November 2012 in der Lilienstraße Stolpersteine verlegt.
Für zwei weitere Geschwister von Abraham und Minna und deren Familien liegen Stolpersteine an der Leerer Landstraße 18 (Karoline Wolff geb. Wolff) und im Krähennestergang 1 (Eva van der Wall geb. Wolff).
Nur drei der insgesamt 12 Kinder überleben den Holocaust. Minna und Abraham sind zwei davon, der Bruder Ludwig ist der dritte Überlebende.1979 schreibt Minna Wolff aus Jerusalem an Johannes Diekhoff in Aurich einen Brief. Sie hat häufiger mit Johannes Diekhoff korrespondiert (s. Nachlass Diekhoff). Minna Selly Wolff  soll hier selbst zu Wort kommen (in Klammern Ergänzungen aus einem Brief an Johannes Diekhoff vom 17.03.1983):„Mehr als 400 Jahre hat unsere Familie in Aurich gelebt. Alle Auricher Juden waren – oder besser gesagt, dachten sie waren – Deutsche, jüdischen Glaubens.
Nur zwei Brüder und ich haben die Hitlerzeit überlebt. Meine Brüder sind an den Folgen der schweren Jahre später gestorben. Meine Mutter, Geschwister mit ihren Männern, Frauen und Kindern sind in Konzentrationslagern vergast oder zu Tode geschlagen worden, nur Gott weiß es. (…)
Ich wurde am 29. Mai 1911 als elftes Kind des Viehhändlers und Schlachtermeisters Selly Wolff in Aurich, Lilienstraße 9, geboren.
Ich besuchte die jüdische Volksschule, dann die Höhere Mädchenschule in Aurich und machte die Schlussprüfung am Oberlyceum in Leer.
Nachdem ich die Höhere Handelsschule  in Hannover beendet hatte, arbeitete ich als Buchhalterin im Geschäft meiner Eltern.
Im Juni 1939 flüchtete ich nach Belgien. (Am 12.Mai) 1940, als Hitler Belgien angriff, flüchtete ich von dort nach Frankreich. Dort wurde ich (am 28.Mai 1940 in Bordeaux) erwischt (Petain Regierung, Frankreich arbeitete zusammen mit den Nazis) und ins Konzentrationslager (Guers hoch oben in den Pyrenäen an der spanischen  Grenze) geschickt. Es gelang mir nach 3 Monaten aus dem Lager zu flüchten (Ich wurde im August 1940 durch einen guten Freund, der viel Geld dafür zahlte, aus dem Lager geschmuggelt). Ich lebte dann zwei Jahre im Untergrund (in und um Marseille).Im Herbst 1942 flüchtete ich in die Schweiz (was mir mit Hilfe dner Katholischen Kirche, die mir falsche Papiere besorgte unter dem Namen Marie Louise Müller geb. in Colmar, Elsass Lothringen, gelang), war dort einige Jahre interniert und arbeitete dann bis zum Ende des Krieges in Zürich in einem christlichen Krankenhaus als Köchin in der koscheren Küche (im Katholischen Krankenhaus „Bethanienheim“ am Zuerich-Berg in Zuerich).
Im August 1945 wanderte ich von dort aus (und kam im Oktober 1945 über Spanien, Portugal in Haifa an) nach Palästina, jetzt Israel. Dort erfuhr ich durch das Internationale Rote Kreuz, dass zwei meiner Brüder (Ludwig und Abraham) den Krieg überlebten (und deren Wohnsitz).
1952 verließ ich Israel und wanderte nach Australien aus. Dort lebte ich bei meinem Bruder Abraham, dessen Frau und Sohn von Hitler umgebracht wurden. Die Nazis hatten meinen Bruder in der Kristallnacht und später im Konzentrationslager so zerschlagen, dass er 1954 nur 48 Jahre alt an den Folgen in Melbourne starb.

Meinem älteren Bruder Ludwig, dessen Frau und Sohn auch von Hitler umgebracht wurden, gelang es nach dem Krieg (über viele Umwege) nach Amerika auszuwandern. 1955 verließ ich Australien, um mit meinem Bruder in Kalifornien zu leben (und nach 21 Jahren sahen wir uns dort wieder. Dort lebte ich dann 18 Jahre, arbeitete als Buchhalterin. Im Jahr 1968 musste ich auf ärztliche Anordnung krankheitshalber meine Arbeit aufgeben. Die schwere Zeit, die Hunger-, Flucht- und Kriegsjahre, der Verlust all meiner Angehörigen, blieb nicht in den Kleidern hängen, sie griffen Herz, Seele und Körper an.). Er starb 1971.“

Nach ihren vielen Lebensstationen der Flucht, des Lebens im Untergrund, der Gefangenschaft und der Suche nach Familienangehörigen und nach einer Heimat kehrt Minna Wolff nach Israel zurück. Sie schreibt:
„1973 wanderte ich von Amerika zurück nach Israel und hoffe nun hier den Rest meines Lebens in Frieden zu leben.“

Das Todesdatum von Minna Wolff konnte bisher nicht festgestellt werden.

Recherche: Schüler der BBS II/Hans-Jürgen Westermayer
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 19.10.2017)
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen: – Briefe Minna Wolff an Johannes Diekhoff v. 10.02.1979 und 17.03.1983
Literatur:
Patenschaft: Irmtraut Hausmann
Verlegetermin: 21. Oktober 2016

 

 

 

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