Ida Wolffs geb. Dannenberg

Veröffentlicht: 3. Februar 2010 von westermayer in Verlegung

 Ida WOLFFS geb. DANNENBERG
geboren am 9. Mai 1875 in Felsberg

Straße: Zuletzt wohnhaft in Leer
Todesdatum: 8. September 1942
Todesort: Riga
Ida Dannenberg wird am 9. Mai 1875 in Felsberg Kreis Melsungen in Hessen, ca. 20 km südlich von Kasssel, geboren. Sie ist das 14. von 16 Kindern ihrer Eltern Levi Leib Dannenberg (24.08.1825 Altenburg über Felsberg – 09.07.1887) und Rebekka Levi (27.09.1837 Ungedanken – 1904), die am 28.05.1857 geheiratet hatten.
In Felsberg bestand eine jüdische Gemeinde seit dem 18. Jahrhundert. Idas Bruder Susmann Dannenberg (*25.05.1868 +13.07.1932 Felsberg) unterrichtete viele Jahre an der jüdischen Volksschule des Ortes.Ida Dannenberg heiratet am 9.05.1909 in Kassel den Auricher Schlachter und Viehhändler Joseph Wolffs.
Joseph Wolffs wird am 16. März 1880 in Aurich geboren. Er ist das sechste von sieben Kindern der Eheleute Wolff Benjamin Abraham Wolffs (9.11.1839 Aurich – 26.12.1912 Aurich) und Gelli Cosmann Wolffs geb. Hoffmann (16.06.1843 Aurich – 19.02.1884 Aurich). Joseph war noch nicht 4 Jahre alt; als seine Mutter starb, sein Vater hat danach noch einmal geheiratet (Fanny Wolffs 1856-1934).

Ida und Joseph Wolffs wohnen zunächst in Aurich in der Lilienstraße 12 bei Familie Abraham Levy Wolff. Hier werden ihre Kinder Werner (*12.03.1911) und Ruth (*13.06.1912) geboren.

Im Jahr 1914 zieht die Familie in die Große Mühlenwall Str. 13 und wohnt dort 12 Jahre lang. Ihre Tochter Ruth besucht die „Höhere Töchter Schule“ in Aurich.

Am 9.03.1926 zieht die Familie nach Wittmund. Sie ist dort am 15.03.1926 gemeldet. Sohn Werner verbleibt noch bis 1929 in Aurich und zieht dann nach Frankfurt am Main.

Von Wittmund aus ziehen Joseph und Ida Wolffs mit ihrer Tochter Ruth am 1.04.1929 nach Leer in die Heisfelder Straße 44 – wohl auch, weil es in Wittmund keine geeignete Schule für ihre Tochter gab. An allen Orten ist Joseph in der Synagoge als Vorbeter/Vorsänger tätig. In Leer wohnt er als Synagogendiener gleich bei der Synagoge. Die Enkeltochter berichtet: „Die Familie war ziemlich streng religiös, und mein Vater (Werner) konnte aus seiner Kindheit noch alle Melodien, die man damals dort gesungen hat, auswendig.“

Ihre Tochter Ruth betätigt sich auch in Leer als erfolgreiche Turnerin und gewinnt verschiedene Wettbewerbe. Im August 1933 emigriert Ruth nach Groningen in die Niederlande, wohnt dort bei Familie Moritz Gerzon in der Jozef Israelstraat 44 (Lt. Meldekarte 18.12.1933) und verdient ihren Lebensunterhalt als Näherin. Als hervorragende Sportlerin wird sie im April 1935 zur Makkabiade nach Palästina geschickt. Ihr Bruder Werner veranlasst sie dort zu bleiben, was ihr das Leben rettete. Diese Makkabiade war für viele Sportler aus Europa eine Gelegenheit, in Palästina zu bleiben. Ruth musst eine Scheinehe (für 4 Jahre) mit einem Araber eingehen, damit sie nicht von den britischen Behörden ausgewiesen wird.

Joseph und Ida Wolffs müssen die Reichspogromnacht 9./10.11.1938 in Leer erleben. Dort erhielt das Einsatzkommando in Leer gegen drei Uhr nachts von Bürgermeister Erich Drescher genaue Instruktionen, die besagten, dass das Synagogengebäude an der Heisfelderstraße in Brand gesetzt und dabei auch die Wohnung des Synagogendieners „ausgeräuchert“ werden sollte. Außerdem wurde die SA angewiesen, die Schaufenster aller noch vorhandenen jüdischen Geschäfte zu demolieren.

An der Synagoge angekommen, wurden zunächst die Wolffs‘schen Möbel aus der Wohnung nach draußen geschafft. Der Kantor der jüdischen Gemeinde Joseph Wolffs und seine Frau Ida wurden rüde aus dem Schlaf gerissen. In Nachtkleidung mussten sie mit ansehen, wie der Bürgermeister Maßnahmen in die Wege leitete, ihr Mobiliar zu verladen und für Absperrungsmaßnahmen Sorge trug, wodurch er erst die Voraussetzungen für die Brandstiftung schaffte.

Anschließend wurden die jüdischen Bürger in der Viehhofanlage auf der Nesse zusammengetrieben (vgl. Darstellung s. Link unten).

Aus Leer wurden 56 Männer in das KZ Sachsenhausen verbracht, darunter auch Joseph Wolffs. Er kam am 15.12.1938 als gebrochener Mann nach Leer zurück.

Als alle Juden Ostfriesland bis zum 1.04.1940 verlassen müssen, ziehen Joseph und Ida Wolffs nach Berlin (C2, Neue Königstraße 42, heute Otto-Braun-Straße).

Von dort werden sie am 31. August 1942 ab Berlin-Moabit in das Ghetto Riga deportiert (Nr. 34 und 35 auf der Transportliste, s.u.) und kamen am 3. September 1942 in Riga an. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie gleich nach der Ankunft ermordet.

(Im Gedenkbuch Bundesarchiv findet sich der 5.09.1942 als Transportbeginn und der 8. September als Tag der Ankunft in Riga.)

Ihre Kinder konnten dem Völkermord durch Flucht nach Israel entkommen. Die Kinder Werner (dort neuer Name: Benjamin Seewi – 12.03.1911 Aurich – 27.07.1995 Jerusalem) und Ruth (13.06.1912 Aurich – 8.05.1996 Jerusalem), verheiratet mit Arnold Rund (*1906 Berlin), nahmen an der Begegnungswoche 1992 in Aurich teil, Ruth mit Sohn Emanuel.

Werners war seit 1964 mit Eleonore Wolffs, später: Liora Seewi geb. Kraus – 15.03.1926 Augsburg – 3.01.2018 Jerusalem) verheiratet. Ihre Tochter Ada (*10.02.1965 Duisburg) lebt in Jerusalem. Sie ist verheiratet und hat 4 Kinder. Ihre Tochter Schulamith (*1.08.1967 Duisburg) wohnt in Ramat Gan, Israel. Sie ist verheiratet und hat 2 Kinder.

Zu den Geschwistern von Ida Wolffs geb. Dannenberg:
Elf ihrer Geschwister sind im Kinder- oder Jugendalter verstorben. Vier Geschwister erreichen das Erwachsenenalter. Drei davon sterben vor 1933. Nur ihr Bruder Abraham (13. Kind) überlebt den Holocaust und verstilbt 1963 (vgl. Datenbanken).

Zu den Geschwistern von Joseph Wolffs:
Zwei seiner Geschwister (Cossmann Wolff 1870-1873 und Sara 1874-1876) sterben bereits im Kindesalter. Über die jüngste Schwester Sara (*31.10.1882) konnten wir nichts in Erfahrung bringen.

Sein ältester Bruder Abraham 28.03.1868) zog aus Aurich nach Stettin. Er wurde am 12.02.1940 in das Ghetto Glusk deportiert. Dort verliert sich seine Spur.
Seine Schwester Clara „Clärchen“ Wolff geb. Wolffs heiratete den Auricher Schlachter Levy Abraham Wolff (1862-1937) und hatte mit ihm vier Kinder. Sie wohnte in der Osterstraße 25, floh 1938 zu ihrem Sohn Abraham Levy Wolff nach Groningen in die Folkingerstraat 19, wurde am 12. März 1943 im Durchgangslager Westerbork interniert, kurz darauf in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort am 25. März 1943 ermordet.

Für Clara Wolff geb. Wolffs wurde am 24.06.21 ein Stolperstein in der Osterstraße 25 verlegt.

Für Joseph und Ida Wolffs wurden am 5.02.2023 Stolpersteine in Leer verlegt.

Recherche und Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 27.01.2023)
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen: Gedenkbuch Bundesarchiv
Meldekarte Aurich
Meldebuch WittmundDatenbank: https://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I4288&nachname=Dannenberg&lang=de
Datenbank: https://www.geni.com/people/Ida-Wolffs/6000000009215218624

Pogromnacht Leer: https://pogrome1938-niedersachsen.de/leer/
Transportliste: https://www.statistik-des-holocaust.de/OT19-2.jpg Ghetto Riga: https://todesortriga.lv/ueber-die-deportationen/
Jüdische Gemeinde Felsungen: https://www.alemannia-judaica.de/felsberg_synagoge.htm
Sportlerin Ruth: Lorenz Peiffer, Henry Wahlig

Juden im Sport während des Nationalsozialismus (eBook, PDF)

Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen

 

 

 

Literatur: Dr. Dieter Vaupel, „Etwas Schaden ist wohl bei den meisten Juden eingetreten“ – Jüdisches Leben in Felsberg: Integration – Verfolgung –Erinnerung. 2020 (ISBN 978-3-7410-0270-0)

Dieter Vaupel: Flucht oder Vernichtung. Stolpersteine zur Erinnerung an die Felsberger Familie Dannenberg/Deutsch. 2019 (ISBN 978-374-851-9096)

Patenschaft:
Verlegetermin: Für Joseph Wolffs wurde in Aurich kein Stolperstein verlegt, da er bereits 1926 Aurich verließ.

 

 

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