Gertrude Gidansky geb. Hoffmann

Veröffentlicht: 6. Februar 2010 von westermayer in Verlegung

Gertrude GIDANSKy  geb. Hoffmann

geboren am 20. Februar 1885 in Aurich

Straße: Marktplatz 31
Todesdatum: 29. März 1983
Todesort: Baton Rouge, USA
Gertrude Gidansky wird am 20. Februar 1885 in Aurich geboren. Sie ist die Tochter von Zvi und Susannah Leers Hoffmann aus Aurich. Zvi hatte vier Söhne mit seiner ersten Frau, Caroline de Vries, die nach der Geburt des jüngsten Sohnes 1881 starb. Danach heiratete er wieder und hatte mit Susannah einen Sohn, Semmy,  und eine Tochter, nämlich Gertrude, genannt Gelli. Alle Kinder wachsen als Teil ein und derselben Familie auf, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede gemacht werden. Als Heranwachsende hilft Gelli im Haus und im Geschäft ihres Vaters, der mit alten und gebrauchten Möbeln handelte.Im August 1910 heiratet sie Karl Gidansky, der 1883 in Memel (Litauen) geboren wurde und als Schlachter für koscheres Schlachten und als Mohel nach Aurich gekommen ist. Sie bekommen die Wohnung oberhalb der Synagoge, denn Karl ist zu der Zeit Hausmeister des Gebäudes, und Gelli hat die Verantwortung für die rituellen Bäder der jüdischen Frauen.      Die Tochter Merri  Therese wird im Mai 1911 geboren und der Sohn Erich im April 1914.

Gertrude „Gelli“ Gidansky mit ihrer Tochter Merri

Gelli ist als Hausfrau mit Kochen, Putzen und mit der Erziehung der Kinder beschäftigt. Seitdem die Familie 1921 in das Haus Marktplatz 31 gezogen ist und Karl dort einen Tabakladen betreibt, hilft sie ihm dabei und die Kinder später auch.
Als gläubige Juden sind Gelli und Karl in der Synagoge weiter sehr aktiv.

Einige Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entdeckt sie einen Knoten in der Brust. Da sie als Jüdin kein Recht auf ärztliche Behandlung hat, entfernt ihr Neffe Manfred Hoffmann, der gerade seine medizinische Ausbildung abgeschlossen hat, ihr den Knoten auf dem Küchentisch. Die Familie hat niemals erfahren, ob es Krebs war oder nicht.

Auch Karl wird krank und stirbt im Februar 1936 mit 52 Jahren an einem Krebsleiden.

Da das Leben für Menschen jüdischen Glaubens immer schwieriger wird, denkt Gelli daran, Deutschland zu verlassen, und verkauft das Haus mit dem Geschäft im August 1938 an die Firma Silomon. Sie behält aber das Recht, bis zum 31. Dezember 1938 mit ihrer Tochter unentgeltlich in der Wohnung im Obergeschoss wohnen bleiben zu dürfen. Von dem Erlös ihres Hausverkaufs hat sie jedoch nicht viel, denn der Großteil ihres Geldes wird kurze Zeit später vom nationalsozialistischen Staat beschlagnahmt.

Nach ihrem Reisepass und ihrer Meldekarte zu urteilen, flieht sie im Januar 1939 aus Aurich, und zwar nach Luxembourg, wo ihr Bruder Semmy lebt und wo sie zu der Zeit sicher ist. Sie bleibt  dort und wartet auf ihr Visum für Amerika.  Am 14. Februar 1940 verlässt sie Luxembourg und kommt im März 1940 in Amerika an. In Pittsburgh PA oder in Chicago trifft sie wieder mit ihrer Tochter zusammen, die im Januar 1939 nach Hamburg und von dort aus nach Nordamerika geflohen ist.

Im Februar 1941 heiratet die Tochter, die sich nun Mary nennt, in Chicago den auch aus Aurich stammenden Hermann Knurr. Gelli geht mit ihnen nach Baton Rouge LA, denn dort gibt es Arbeit für beide, Hermann und Mary. Ein anderer früherer Auricher, Erich Sternberg, hat dort ein Geschäft gekauft.

Gelli, nun Gertrude oder auch Trude genannt, verbringt den Rest ihres langen Lebens im Haushalt der Familie Knurr. Jahrzehntelang führt sie den Haushalt, kocht und kümmert sich um alles. Für ihre Enkelin Carol Kain, Jahrgang 1944, ist sie wie eine zweite Mutter, denn Mary arbeitet. In der örtlichen Synagoge ist Trude sehr beliebt und wird von allen „Oma“ genannt. Sie überlebt ihren Schwiegersohn Hermann um fast 9 Jahre. Bis in ihre mittneunziger Jahre bleibt sie sehr gesellig und humorvoll und trinkt gern mal einen kleinen Likör. Beinahe bis ans Ende ihres Lebens jedoch wacht sie häufig schreiend aus Albträumen auf und glaubt, die Nazis hämmerten an ihre Tür.   In ihren mittneunziger Jahren wird sie sehr schwach und gebrechlich und wird dement. Dies ist vor allem für ihre Tochter Mary eine sehr schwierige Zeit.

Am 29. März 1983 stirbt Gertrude im Alter von 98 Jahren . Ihr Grab ist auf dem Synagogen-Friedhof in Baton Rouge, dicht bei dem von Hermann und Mary.

Recherche: Irmtraut Schulze Rodenberg
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 27.02.2019)
Foto: Fotonachweis: Carol Kain
Opfergruppe: Juden
Quellen: Nds. Landesarchiv Aurich, Rep. 16/1;Korrespondenz mit Nachkommen
Literatur: Rüdiger Musolf, Gerhard Silomon, Die Geschichte eines Textilhauses, Aurich 1994, S. 83
Patenschaft: Familie Knurr/Gidansky
Verlegetermin: 23. Oktober  2017

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