Karl Gidansky

Veröffentlicht: 6. Februar 2010 von westermayer in Verlegung

Karl GIDANSKY
geboren am 15. August 1883 in Memel (Litauen)

Straße: Marktplatz 31
Todesdatum: 27. Februar 1936
Todesort: Aurich
  Karl Gidansky, mit jiddischem Namen“ Yechetzkel“ oder „Chatzkel“ (für Karl),  wurde am 15. August 1883 in Memel in Litauen als Sohn des koscheren Schlachters Isaac Jacob Gidansky (auf Jiddisch: Itzig Jankel,  Jahrgang 1844) und seiner Frau Dora Chazket Lipschitz geboren.  Er hatte vier Brüder und drei Schwestern und eine große Verwandtschaft.  In dieser sehr orthodox eingestellten Familie wurden auch in den Gesprächen des Alltags die jiddischen Vornamen gebraucht z.B. „Yossel“ für Josef. Heutzutage werden solche jiddischen Vornamen nur zu besonderen Anlässen wie z.B. Hochzeiten oder Beerdigungen gebraucht.Karl macht wie bereits sein Vater eine Schlachterlehre für koscheres Schlachten,  die also den jüdischen Gesetzen entsprach, und wird ausgebildet zum Mohel, das ist einer, der die Beschneidung vornimmt. Als junger Mann kommt er nach Aurich auf der Suche nach passender Arbeit und weil er gehört hat, dass die Juden in Aurich jemanden mit seinen Fähigkeiten suchten.

 

 

Hier in Aurich lernt er seine spätere Frau kennen: Gertrude (Gelli) Hoffmann (geb. am 20.Februar 1885 in Aurich). Im August 1910 heiraten sie und wohnen zunächst oberhalb der Synagoge, denn Karl ist zu der Zeit der Hausmeister (shammos) des Gebäudes, und Gelli hat die Verantwortung für die rituellen Bäder der jüdischen Frauen, die mikvah. Sie haben sehr wenig Geld.

Am 25. Mai 1911 wird die Tochter geboren,  Merri Therese, und der Sohn Erich am 16. April 1914.  Einige Monate später beginnt der 1. Weltkrieg, und Karl zieht als Soldat in diesen Krieg und kämpft für den deutschen Kaiser.

Im Jahr 1921 sieht sich Karl in der Lage, das Haus am Marktplatz 31 zu kaufen, und die Familie zieht dorthin. Im Erdgeschoss betreibt Karl einen Tabakladen. Gelli hilft ihm dabei und die Kinder später auch. Karl fährt auch manchmal über Land, vermutlich mit dem Pferdewagen, um seine Tabakwaren zu verkaufen. Er soll ein sehr freundlicher Mann gewesen sein, für den Gastfreundschaft wichtig war und der jede Woche zum Kegeln ging.

Nach Hitlers Machtergreifung wird er eines Tages krank. Seine Familie vermutet, dass es Nierenkrebs war,  aber Genaueres weiß man nicht, denn unter dem NS-Regime ist es ihm verwehrt, einen Arzt aufzusuchen oder ins Krankenhaus zu gehen.

Sein Tod war wahrscheinlich vorgezeichnet,  aber eine ordentliche ärztliche Versorgung hätte vielleicht sein Leben verlängert oder das Leiden ein wenig gelindert.

Karl Gidansky stirbt am 27. Februar 1936 mit 52 Jahren  in Aurich.

Seiner Frau Gelli und seiner Tochter Merri gelingt es, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland zu fliehen. Gelli verkauft das Haus mit dem Geschäft im August 1938 an die Firma Silomon, sie kann mit ihrer Tochter aber bis Ende Dezember 1938 unentgeltlich in der Wohnung im Obergeschoss wohnen bleiben. Der Großteil ihres Geldes wird jedoch kurze Zeit später vom nationalsozialistischen Staat beschlagnahmt.  Im Januar 1939 flieht Gelli nach Luxembourg, wo ihr Bruder Semmy lebt. Im Februar 1940 reist sie von dort aus nach Amerika und trifft dort wieder mit ihrer Tochter zusammen, die im Januar 1939 nach Hamburg und von dort aus nach Nordamerika geflohen ist. Sie leben dort in Baton Rouge LA.  1983 stirbt Gertrude mit 98 Jahren. Ihre Tochter Merri, die schon 1974 ihren Mann verloren hat, stirbt 2002 in Chicago, wo ihre Tochter Carol lebt.

Karls Sohn Erich hat Aurich schon 1933 verlassen, um bei Verwandten in Memel (Litauen) sicherer zu leben. 1941 wird er dort jedoch, zusammen mit vielen anderen aus der Familie, von den Nationalsozialisten verhaftet. Erich und sein Cousin Jacob Telser bleiben bis zum Ende des Krieges in Dachau inhaftiert. Nach der Befreiung trifft er nach längerer Suche seine Familie (Mutter und Schwester) in Baton Rouge (USA) wieder. Er heiratet eine andere Überlebende aus den Niederlanden und sie bekommen zwei Töchter. Erich  stirbt 2004 mit fast 90 Jahren in Milwaukee, wo die beiden Töchter mit ihren Familien leben.

  Recherche: Irmtraut Schulze Rodenberg

Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 27.02.2019)

Foto: Fotonachweis: Carol Kain
Opfergruppe: Juden
Quellen: Nds. Landesarchiv Aurich, Rep. 16/1;

Korrespondenz mit Nachkommen

Literatur: Habben, Hans-Joachim: Von der Emanzipation bis zum Ende des Weltkrieges, in: Reyer (Hrsg.): Die Juden in Aurich, 1935-1940, S. 124;

Rüdiger Musolf, Gerhard Silomon, Die Geschichte eines Textilhauses, Aurich 1994, S. 83

Patenschaft: Familie Knurr/Gidansky
Verlegetermin: 23. Oktober  2017

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