David Cohen

Veröffentlicht: 20. Februar 2010 von westermayer in Verlegung

David COHEN
geboren am 9. März 1925 in Aurich

Straße: Wallstraße 33
Todesdatum: überlebt
Todesort:
09.03.1925    in Aurich geboren, wohnt Wallstraße 33, Aurich

Eltern und Geschwister von David Cohen

Vor 1938       Aushilfsarbeiten bei Bauer Redenius in Kirchdorf

04.12.1938    Legale Einwanderung nach Palästina: von Aurich über Berlin nach Triest, von dort mit dem Schiff „Jerusalem“ innerhalb vier Tagen nach Palästina. Diese Emigrationsmöglichkeit wurde von einer englischen Kindereinwanderungsorganisation durchgeführt. Kurz¬fristiger Aufenthalt bei Verwandten in Palästina

Um 1940-42   Unterbringung in einem Jugenddorf, dort Erlernen landwirtschaftlicher Tätigkeiten. Zu dieser Zeit werden die Eltern und Geschwister über Veyesak nach Minsk deportiert, dort 1942 ermordet)

1942-44        Eineinhalbjähriges Leben im Kibbuz Tirat-Zvi, Tätigkeit als landwirtschaftlicher Gehilfe in Ra‘anana

1944-45        Fortsetzung dieser Arbeit zunächst in Naharija bei einer deutschstämmigen Familie, dann in der Nähe von Haifa (Kirjat Bialik)

1946-47        Tätigkeit als Bauarbeiter

Nov./Dez. 47 Einzug durch die (illegale) zionistische Armee

Nov. 1948     Anschluss an die Untergrundorganisation Hagana

Mai 1948-50   Militärdienst im neugegründeten Staat Israel. Durch eine Verwundung wird er Verbindungsmann verschiedener Organisationen (Transportsergant)

April 1950      Freistellung von der Armee

1950-54        Aufgreifen seiner Tätigkeit im Bauwesen

Seit 1954      Tätigkeit in einer Waffenfabrik

1958-1959     Rückkehr(versuch) nach Deutschland, geringe „Wiedergutmachung“ finanzieller Art, Rückkehr nach Israel

1961            Dreimonatiger Aufenthalt in Deutschland zur Beratung durch die Bundeswehr — Einweisung in gekaufte Waffensysteme.

David Cohen – 1985

Bis zur Pensionierung ist David Cohen Produktionsleiter der Waffenfabrik.

David Cohen mit Familie – 1985

Er hat zwei Söhne und eine Tochter und lebt in Yokneam in der Nähe von Haifa.

 

1983    Erste Kontakte zu Auricher IGS-Schülern (ständig aufrecht erhalten)

David Cohen mit Schülern der IGS-Aurich – 1987

1984, 1992, 2002     Besuch Aurichs zusammen mit anderen ehemaligen Mitbürgern, Unterbringung in privaten Familien; Durch Schülerbesuche und deren Eltern hat David Cohen inzwischen vielfältige Kontakte zu seiner alten Heimatstadt aufgebaut.

David Cohen bei seinem Besuch in Aurich 1992

David Cohen bei einem Besuch in Aurich – 2002

13. 03. 2009     David Cohen verstorben in YokneamElit

Das Leben in Ostfriesland

Noch vor der Pogromnacht. Bevor Cohen Aurich verließ, hatte er eine Konfrontation mit SA-Männern: Auf dem Weg zum Kirchdorfer Feld – er arbeitete bei dem Bauern Redenius – fuhr er mit seinem Fahrrad von Aurich in Richtung Kirchdorf. An der Brücke über dem Kanal traf er zwei SA-Männer, die ihn aufforderten, vom Fahrrad abzusteigen. Sie befragten ihn, wohin er wolle. Als er ihnen mitteilte, dass er auf dem Weg zur Arbeit bei Bauer Redenius sei, nahmen sie ihm sein Rad weg und warfen es in den Kanal. Mit der Bemerkung „Heute fällt die Arbeit aus!“ warfen sie auch ihn ins Wasser.

(Bericht Schülerbesuch 1983)

Erinnerung an eine Nachbarin aus der Wallstraße.

Eine damals schon ältere christliche(!) Mitbürgerin in der Wallstraße war wegen einer Behinderung auf die Hilfe und Versorgung durch ihre Nachbarn angewiesen. „Kaum krauchen konnte sie auf ihren Gliedern“ (Cohen). Cohen schildert sehr eindringlich, wie diese Frau nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten anfing, ihre jüdischen Mitbürger (Kinder) zu beschimpfen und auch ihn zu bespucken.

Bei seiner Rückkehr Ende der 50er Jahre nach Deutschland und einem kurzen Besuch in Aurich war diese Frau der einzige Mensch, den David Cohen verbunden mit persönlichen negativen Gefühlen gesucht hat. Er hat sie damals nicht gefunden.

( Bericht Schülerbesuch 1983 )

Progromnacht

Die ,Reichskristallnacht` war für meine Eltern der Anlass, meine Schwester und mich alleine nach Palästina zu schicken, weil meine Eltern nach der Kristallnacht kein Geld mehr hatten. Wir waren nicht sehr wohlhabend, aber wir hatten ein Haus. … Jeder musste sein Bußgeld bezahlen, und wir hatten kein Geld mehr. Wir hatten die Absicht, mit den Eltern nach Haifa (Palästina) oder Argentinien auszuwandern, ir¬gendwo nach Südamerika oder Zentralamerika. Aber das Geld war nicht mehr da!

Und da haben meine Eltern beschlossen, uns allein nach Palästina fahren zu lassen. Meine Schwester ist einen Monat bevor ich geschickt wurde, gefahren. Sie ist illegal unterwegs gewesen. Sie ist nachmittags angekommen, … nachdem sie fast zwei Jahre unterwegs war über Jugoslawien. Ich bin legal gekommen, ich kann mich jetzt noch erinnern. Ich bin am 04.12.1938 mit der Kinderalia, d. h. mit der Kindereinwanderung gekommen“.

(Ausschnitt Tonbandaufzeichnung März 1988)

Als David Cohen im Gespräch darauf kommt, inwiefern er bestimmte Gewohnheiten aus der alten Heimat hier in Israel weiter beibehalten hat, kommt das Gespräch auch aufs Teetrinken. Bei dieser Gelegenheit übergeben wir ihm den von der Firma Thiele und Freese — Emden — in einer hübschen Schmuckdose zur Verfügung gestellten Tee als Erinnerung an die alte Heimat.

Er freut sich darüber und wird sehr nachdenklich, als wir ihm dazu einen silbernen Löffel mit ostfriesischer Prägung schenken; als er nach der Pogromnacht seine Familie und seine Heimatstadt Aurich verlassen musste, gab ihm seine Mutter als einziges Andenken an die Familie und gleichzeitig als kleinen Wertgegenstand einen silbernen Löffel mit. Den hat er noch.

(Ausschnitt aus Notizen zum Besuch von David Cohen 1983)

Weg nach Palästina

„Ich sehe das noch ganz genau, wie ich von Zuhause wegging: Mein Vater ist mit zum Bahnhof gefahren nach Aurich. Meine Tante, die in Kirchdorf gewohnt hat, hat mich nach Berlin gebracht. In Berlin hat sich die Gruppe der Kindereinwanderungsorganisation gesammelt. Von Berlin sind wir nach Triest gefahren und von dort mit der „Jerusalem”, einem ziemlich großen Schiff, innerhalb von vier Tagen nach Palästina übergesetzt.

Zuerst habe ich einen Monat bei meinem Onkel gelebt, der in Ra’anana wohnte und zehn bis fünfzehn Jahre später nach Deutschland zurückging. Er hat mich zu meiner Tante nach Jerusalem geschickt. Ein Jahr später bin ich irgendwie in ein Jugenddorf gekommen. Zwei Jahre habe ich dort gelernt, später bin ich in einen Kibbuz gegangen für eineinhalb Jahre. Der Kibbuzz heißt Tirat-Zwi.

Am 4. Dezember 1939 bin ich hier angekommen. Ich bin legal gekommen, als ich erst 14 Jahre alt war. Im Jahre 1938 wurde ich dreizehn Jahre alt. Da haben wir meine Konfirmation (jüdisch: Bar Mitzva; Anm. d. Autors) gefeiert. Das war das letzte Mal, wo meine ganze Familie zusammen war. … 1938 ging es allen ziemlich dreckig.

Den Silberlöffel, den meine Mutter mir mitgegeben hat, habe ich noch, er ist noch vorhanden.

An sehr viele Sachen von früher kann ich mich nicht erinnern. Ich habe einen Teil vergessen. Ich habe nur die schönen Sachen erzählt!“

(Ausschnitt Tonbandaufzeichnung März 1988)

„Ich habe als landwirtschaftlicher Gehilfe gearbeitet. Nachdem ich den Kibbuzz verlassen habe, bin ich nach Naharija gegangen. Dort habe ich gearbeitet bei einer deutschen Familie, die einen großen Viehstall hatten. Der war der erste, der Weiden gehabt hat, wo die Kühe draußen geweidet haben. Der hat … an die fünfzig Kühe gehabt. Damals hat man die Kühe noch mit den Händen gemolken. Anschließend habe ich in der Gegend von Haifa bei einer Familie gearbeitet, ich habe die Landwirtschaft geführt.

Dann wurde ich Bauarbeiter, hauptsächlich musste ich Baumaschinen, Betonmaschinen und Kräne bedienen. Im November 1947 hat man mich eingezogen, dann war ich Soldat. Nachdem der Staat Israel ausgerufen war, kurz nach dem Mai 1948, wurde die israelische Armee gegründet. Dann habe ich zwei Jahre Wehrpflicht gemacht. Ich wurde offiziell in die Armee eingezogen, ich habe zwei Jahre gedient. Durch eine Verwundung wurde ich Verbindungsmann zwischen verschiedenen Positionen auf dem Motorrad. Anschließend wurde ich Transportsergeant bei einer gemischten Abteilung. Im April 1950 wurde ich vom Militär befreit. Bis 1954 war ich wieder am Bau tätig.

Und vom Februar 1954 bis zum heutigen Tag arbeite ich in einer Fabrik, die mich öfter nach Deutschland geschickt hat. Das Paradoxe dabei ist, dass im Jahre 1961 ich zur Bundeswehr geschickt worden bin, um eine Einweisung in gekaufte Waffensysteme zu ermöglichen.

Nachher ging das Leben normal weiter, ich habe drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter“.

(Ausschnitt Tonbandaufzeichnung März 1988)

Recherche: Wolfgang Freitag
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 7.02.2019
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur:
Patenschaft: Ursula und Wolfgang Freitag
Verlegetermin: 21. Oktober  2016

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