Gitta Seckels geb. Wolff

Veröffentlicht: 9. April 2010 von westermayer in Verlegung

Gitta SECKELS geb. Wolff
geboren am 1. April 1896 in Frielendorf Kr. Zeigenhain (Hessen)

Straße: Osterstraße 30
Todesdatum: Flucht in die USA am 27. März 1937
Todesort:
Gitta Wolff (lt. Geburtsurkunde „Gieta“) wird am 1. April 1896 als Tochter des Handelsmannes Salomon Wolff und seiner Ehefrau Bertha Wolff geb. Levisohn in ihrem Haus in Frielendorf im Haus Nr. 109 geboren.

Im Jahr 1928 heiratet Gitta den Kaufmann Jacob Seckel Seckels und zieht zu ihm nach Aurich in die Osterstr. 30. Kinder haben die beiden keine. Nach der Flucht in die USA betreuen sie Pflegekinder, darunter auch den Sohn ihrer Schwägerin Georgine, Joseph Haberer.

Als ältester Sohn der Eltern Sophie (*18.07.1864 +1942?) und Joseph  Seckel  Seckels  (*18.01.1861 +25.02.1936) wird Jacob  Seckels am 22. September 1891 in Aurich in eine alte  Kaufmanns-  und  Bankiersfamilie  geboren.  Ihm  folgen  die  drei  Schwestern  Jacob, Elise, Georgine und Ottilie.

Sein Vater Joseph Seckel Seckels wird am 18. Januar 1861 in Aurich als Sohn von Joseph Jacob Feibelmann Seckels (*20.03.1823 Aurich +1.02.1900 Aurich) und Dine Moses Seckels geb. Cohen (*6.02.1823 Neustadtgödens +16.96.1908 Aurich) geboren.
Am 18. November 1890 heiratet Joseph die drei Jahre jüngere Sophie Isenburger (*13.07.1864 Friedberg) aus Friedberg in Hessen. Die Hochzeit wird in Friedberg gefeiert, danach zieht Sophie aus dem Wetterau-Kreis nach Ostfriesland. Aurich wird ihr nicht ganz unbekannt gewesen sein, denn ihre ältere Schwester Minna Eva, genannt Emma, hatte den Auricher Kaufmann Moses Feibelmann Seckels (geb. 25.11.1857) geheiratet.
In Aurich ziehen Joseph Seckel und Sophie Seckels in das Haus des Vaters/Schwiegervaters Joseph Jakob Seckels mit ein, der hier in der Osterstraße 30 spätestens seit 1887 wohnte und sein Geschäft betrieb. Wohl gemeinsam mit seinem Sohn Joseph Seckel betreibt er ein „Manufaktur- und Modewarengeschäft“ (vgl. Eintrag Adressbuch Aurich 1926). Sophie und Joseph Seckel ziehen drei Töchter und einen Sohn groß:
– Jacob Seckel, geb. 22.9.1891
– Elise, geb. 12.11.1892, verh. Halpern
– Georgine, geb. 21.11.1893, verh. Haberer
– Ottilie, geb. 6.5.1898, verh. Gottschalk

Der Sohn Jakob Seckels arbeitet ebenfalls in dem Geschäft seines Vaters und Großvaters.
Am  27.  März  1937  hat Jakob Seckels mit  seiner Frau Gitta  Aurich verlassen. Sein Elternhaus, bei dem es sich gleichzeitig auch um  ein  Manufakturen-  und  Bekleidungsgeschäft  in  der  Osterstraße  30  handelte,  war  kurz  zuvor  von  seiner  Mutter  Sophie  Seckels  verkauft  worden.  Dieser  Verkauf  und  der  Wille,  der  Heimatstadt  Aurich  fast  fluchtartig den Rücken zu kehren,  sind als Folgen des Boykotts zu verstehen,  zu dem die  Auricher am 20. Juli 1935 in der OTZ, der Ostfriesischen Tageszeitung, dem wichtigsten Propagandaorgan der NSDAP in Ostfriesland, aufgerufen worden waren.  Der Name der Familie Seckels stand in diesem  Boykott-Aufruf und machte eine Zukunft in Aurich zunichte.

Als Joseph Seckel Seckels an den Folgen eines vermutlich absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfalls durch „Braunhemden“  am 25. Februar 1936 verstirbt,  bleibt seiner Frau Sophie, sowie seinem Sohn Jacob und dessen Frau Gitta Seckels nichts anderes übrig, als die Koffer zu packen. Sophie Seckels, die am 27. März 1937 zu ihrer Tochter Ottilie Gottschalk nach Krefeld  zieht, muss Krefeld  am 22 Sohn April 1942 gemeinsam mit ihrer Tochter Ottilie und deren Tochter Henriette (*19.09.1927) in einem Deportationszug  mit 900 Juden mit dem Ziel „Durchgangsghetto“ Izbica in Polen verlassen. Der Zug erreicht Izbica am 24.April 1942. Dann verlieren sich die Spuren von Sophie, Ottilie und Henriette. Dem Ehemann von Ottilie, Emmanuel Gottschalk, gelang noch am 31.10.1938 die Flucht nach Mexico/Cuba. Frau und Kind konnten ihm nicht mehr folgen.

Auch die beiden anderen Töchter von Joseph und Sophie werden Opfer des Völkermordes. Elise heiratet Sally Halpern und zieht nach Konstanz. Am 28.06.1939 flieht die Familie nach Brüssel, wird dort aber interniert, am 20.09.1943 ab Mechelen nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Georgine heiratet am 31. Oktober 1927 Berthold Haberer (1882-1942) aus Villingen und zieht zu ihm in den Schwarzwald. Ihr Sohn Joseph wird am 31.Januar 1929 geboren, seine Eltern schicken Joseph mit einem Kindertransport im Dezember 1938 nach England.  Die Eltern werden am 22.10.1940 ab Baden in das Internierungslager in Gurs (Frankreich) deportiert und am 10.08.1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Jacob, dem ältesten Kind von Joseph und Sophie Seckles,  und seiner Frau Gitta  Seckels gelingt es, vor August 1939 in die USA zu  emigrieren. In Oakland, California, nimmt das kinderlose Paar Jugendliche auf, u.a. auch ihren Neffen Joseph Haberer, Sohn der Schwester Georgine aus Villingen, der über die Kindertransporte nach England gerettet werden konnte.
Josef Haberer absolviert erfolgreich die Highschool, nimmt seine Universitätskariere auf und wird Professor für Politik. Im Bundesstaat Indiana übernimmt er die Leitung der Jüdischen Schulen.
Als Ziehsohn Joseph Haberer im Jahr 2009 seinen Heimatort  Villingen im Schwarzwald  besucht, gibt er Schülerinnen und Schülern folgendes mit auf den Weg:
„Sogar Schüler können helfen, Hass und Vorurteile verschwinden zu lassen. Wenn Du Vorurteilen begegnest, spreche sie an, sitze nicht herum, sag etwas oder tu etwas! Mache Dich nicht geringer als Du bist. Du kannst mehr tun, als Du denkst.“ (Joseph Haberer 2009)

Eine ausführliche Darstellung der Biografie der Familie Seckels findet sich bei der Biografie von Sophie Seckels auf dieser Homepage.

Recherche: Jugend Projektgruppe der Matthäusgemeinde Wallinghausen
Eingabe und Ergänzungen: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 8.04.2020)
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen: Geburtsurkunde Gieta Wolff: https://digitalisate-he.arcinsys.de/hstamr/920/1552/max/00016.jpg

– StAA: Rep. 16/2, Nr. 1606; Rep. 107, Nrn. 1321, 2672 Rep. 251, Nrn. 392, 784; – Dep. 34 B, Nrn. 56, 1356.

http://www.villingen-schwenningen.de/statdtarchiv/joseph-haberer-preis/joseph-haberer.html

– Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (http://www.bundesarchiv.de)

Literatur: http://www.pro-stolpersteine-vs.de/biographien/BIO_3_haberer-berthold-u-georgine/index.php
https://virtuellestolpersteine.wordpress.com/judische-familien/familie-berthold-haberer/https://de.wikipedia.org/wiki/Camp_de_Gurs#Deutschlandhttp://www.bildungswerk-ks.de/izbica/deportationen-von-und-nach-izbica-1
Patenschaft: Bernhard Siebelds
Verlegetermin: 16. November  2019

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