Erna Altberger geb. Wolff

Veröffentlicht: 13. Mai 2010 von westermayer in Verlegung

Erna ALTBERGER geb. Wolff
geboren am 8. Juni 1915 in Aurich

Straße: Lilienstraße 12
Todesdatum: Flucht nach Argentinien, verstorben 25. April 2000
Todesort: Monigotes, Santa Fe, Argentinien
Erna Wolff wurde am 8. Juni 1915 mitten im ersten Weltkrieg in Aurich als Tochter der Eheleute Abraham und Mathilde Wolff geb. Katz geboren. Ihre Familie war in Aurich sehr angesehen. Während Vater Abraham Isaak Wolff ein gebürtiger Auricher war (geboren am 7.07.1883), stammte seine Ehefrau Mathilde geb. Katz aus dem Kreis Fritzlar.

Die Vorfahren von Erna Wolff haben schon sehr lange in Aurich gelebt und waren über Generationen als Schlachter in der Stadt tätig. Wenn  man bedenkt, dass die Familie Wolff durch mehrere Jahrhunderte in Aurich lebte und arbeitete, wird das Unrecht der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung so vieler Mitglieder dieser Familie auf ganz besondere Weise deutlich. Es waren ja keine „Fremden“ oder „Neuzugezogene“, denen so Schlimmes geschah, sondern Leute, die über Jahrhunderte das Leben in der Stadt Aurich mitgeprägt hatten. Darum haben wir uns die Kette der Generationen einmal genau angesehen:

Der erste Vorfahre, auf den wir bei unseren Nachforschungen gestoßen sind, hieß Levi Abraham Wolff. Er wurde etwa 1750 geboren und starb 1804 in Aurich. Er war verheiratet mit Gütel Wolff, die beiden hatten fünf Kinder. Diese waren Ernas Urururgroßeltern.  Ihr ältester Sohn hieß Jakob Levi Wolff und wurde 1775 geboren. Er arbeitete in Aurich als Schlachter und war verheiratet mit Minkel Jonas Wolff. Aus dieser Ehe stammten neun Kinder und uns interessiert besonders der älteste Sohn, Abraham Jakob Levi Wolff, geboren 1803 in Aurich, gestorben 1877 in Aurich. Er war verheiratet mit Breine Isaak de Beer (1816-1867). Aus ihrer Ehe stammten vier Kinder, und uns interessiert besonders das dritte Kind: das war nämlich Ernas Großvater, geboren 1848 in Aurich, gestorben 1933 in Aurich, verheiratet mit Regine Schulenklopper aus Norden. Dieses Ehepaar hatte sieben Kinder, von denen Ernas Vater Abraham das Älteste war. Ernas Vater Abraham wurde am 7. 07.1883 geboren. Er musste gemeinsam mit seiner Frau Mathilde Wolff geb. Katz, seiner Tochter Erna und dem Schwiegersohn Hermann Altberger 1938 vor den Nationalsozialisten  aus seiner Heimat fliehen und verstarb in Argentinien.

Hermann Altberger kam 1931 nach Aurich und arbeitete hier als kaufmännischer Angestellter in der Firma H. C. Knurr. Das Geschäft der Familie Knurr war sehr bekannt in und um Aurich für Bekleidung, Pelze, Teppiche, Gardinen und Stoffe. In Aurich lernte er nun seine zukünftige Frau, Erna Wolff, kennen und freundete sich mit einer Gruppe junger Zionisten an, die nach Palästina auswandern wollten. Dieser Idee schloss sich Hermann Altberger in Aurich mit Begeisterung an und gab seine Anstellung in Aurich auf, um sich in Regensburg in Bayern in einem Schulungszentrum auf das zukünftige Leben in einem Kibbuz vorzubereiten. Dort lebte er von Juli 1937 bis Juli 1938.

Nach der Familienüberlieferung waren die Eltern Wolff anfänglich nicht besonders begeistert über den Kontakt ihrer Tochter zu den Palästinabegeisterten jungen Erwachsenen, weil sie nach ihrer Ansicht einen zu lockeren Lebensstil hatten. In Regensburg erlitt er jedoch eine heftige Ohrenentzündung und sein Gesundheitszeugnis lief ab. Somit war der große Traum der Auswanderung nach Palästina geplatzt. In Ostfriesland bestand längst Lebensgefahr – dorthin konnte er nicht zurück. Nur für wenige Wochen konnte Hermann Altberger nach Aurich zurückkehren, um seine Verlobte Erna Wolff zu heiraten. Das geschah am 23. August 1938. Gleich darauf wanderte das junge Paar mit den Schwiegereltern Wolff aus und zog nach Argentinien. Dort kamen sie praktisch mittellos an, weil ihnen ihr ohnehin sehr geringes Hab und Gut im Hafen gestohlen worden war.

In Argentinien kam ihnen die Regensburger Schulung für das spätere Leben in Palästina sehr zugute und über das Hilfswerk (Jewish Colonization Association) des Barons Moritz von Hirsch (1831-1896) konnte ein Stück Land erworben werden. Die Familie widmete sich erfolgreich der Viehzucht und lebte in der jüdischen Siedlung Monigotes in der Provinz Santa Fe.

Erna Altberger geb. Wolff und Tochter Regine Altberger-Gimenez bei der Begegnungswoche in Aurich 1992   (Foto G. Lübbers)

Zwei Kinder wurden geboren, 1941 die Tochter Regina und 1949 der Sohn Ludovico, benannt nach den früh verstorbenen Großeltern Altberger. Hermann  Altberger starb am 11. November 1986, seine Frau Erna am 25. April 2000. Auch ihre Tochter Regina ist bereits am 19. Juni 2007 verstorben. Ludivico ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder.

Auch Ernas drei Geschwistern Isaak Abraham, Manfred und Ruth gelingt die Flucht nach Argentinien (s. Biographie Isaak Abraham „Bubi“ Wolff).

So wie die Familie Wolff über viele Generationen in Aurich verwurzelt war, so war es bei Ernas Großmutter und ihrer Familie in Norden genauso. Dort war die Familie Schulenklopper auch schon um 1800 beheimatet und Ernas Urgroßvater Joseph Schulenklopper (1823-1912) war ein bekannter Viehhändler in Norden. Der ungewöhnliche Familienname kommt wahrscheinlich von einem alten Brauch bei den Bibelsegnungen der jüdischen Gemeinde. Wenn bei der Verlesung des Buches Esther ein bestimmter Name genannt wurde, dann klopften alle Zuhörer „in der Schul“ auf die Tische und diesen Brauch nannte man „Schulkloppen“.

Nun aber noch zu Ernas Mutter: Mathilde Wolff geb. Katz wurde am 22. April 1884 in Gilsa bei Zimmersrode in Hessen geboren. Ihre Eltern hießen Moses Katz und Esther Katz geb. Katz. Moses Katz arbeitete dort als Viehhändler. Zimmersrode liegt in der Nähe von Fritzlar im Schwalm-Eder-Kreis. In Zimmersrode wurden der Auricher Schlachtersohn Abraham Wolff und Mathilde Katz am 21.Februar 1913 getraut. Auch für die Familie Katz galt in Gilsa, was wir für die Familie Wolff in Aurich feststellten: sie waren dort viele Generationen lang ansässig. Und es war eine große Familie: Erna Altberger geb. Wolff hatte viele Onkel und Tanten in Hessen: Jettchen, Lina, Auguste, Jeanette, Bertha und Adolf hießen die Geschwister der Mutter. Soweit wir bisher herausfinden konnten, sind auf jeden Fall zwei von ihnen ermordet worden. Jettchen starb 1942 in Theresienstadt, Auguste 1942 im Ghetto Belzyce.

Auch wenn die Inschrift nicht direkt mit der jüdischen Gemeinde in Aurich zusammenhängt, wollen wir die Grabinschrift für Mathilde Wolffs Eltern hier anhängen, da sie uns sehr beeindruckt hat:

Hier ruht
ein redlicher und aufrichtiger Mann,
gerecht auf allen seinen Pfaden.
Er kämpfte im Krieg im Jahr 660 n.d.k.Z.
Er fand Gefallen bei Gott und Menschen,
liebte das Recht und jagte der Gerechtigkeit nach,
war Kranken und anderen
Menschen behilflich.
Herr Moses, Sohn des Jecheskiel
Katz ha-Kohen aus der heiligen Gemeinde Gilsa.
Er starb in gutem Ruf am Mittwoch,
am 14. Tamus 674 n.d.k.Z.,
und er wurde begraben am Freitag, den 16. desselben.
Seine Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens.

Hier ruht eine gottesfürchtige Frau,
die stets auf geradem Pfade wandelte.
Ihre Hände reichte sie den Armen und Elenden.
Sie war die Krone ihres Mannes und ihrer Kinder.
sittsam war sie auf all ihren Wegen:
Esther, Tochter des Salomon ha-Kohen.
Sie starb plötzlich zum Kummer
ihres Mannes und der Kinder
am Mittwoch, den 9. Tewet,
und wurde begraben mit großer Ehre
m Freitag, den 12. desselben
im Jahre [5] 674 n.d.k.Z.
Ihre Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens.

Recherche: Konfirmandengruppe der Kirchengemeinde Victorbur
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 12.05.2020)
Foto: – Erna Altberger geb. Wolff und Tochter 1992 – Günther Lübbers
– Grabsteine: https://www.lagis-hessen.de/juf
Opfergruppe: Juden
Quellen: Grabinschrift: https://www.lagis-hessen.de/juf
Literatur:
Patenschaft: St. Victor Kirchengemeinde Victorbur
Verlegetermin: 19. September  2018

 

 

 

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