Hermann Altberger

Veröffentlicht: 13. Mai 2010 von westermayer in Verlegung

Hermann ALTBERGER
geboren am 25. Oktober 1913 in Dudelange, Luxemburg

Straße: Lilienstraße 12
Todesdatum: Flucht nach Argentinien, verstorben am 11. November 1986
Todesort: Monigotes, Santa Fe, Argentinien
Um die Familiengeschichte Hermann Altbergers nachzuvollziehen, muss man eigentlich einen dicken Atlas dabei haben, denn sie führt uns kreuz und quer durch Europa und auch noch nach Südamerika. Sein Vater Lazar (vom biblischen  Lazarus), der auch Ludwig genannt wurde, stammte aus Ruthenien, einer armen Gegend der früheren österreich-ungarischen Monarchie. Vater Ludwig wurde am 11. Dezember 1876 im Städtchen Beregszasz geboren, das in den letzten 150 Jahren viele Male seinen Namen gewechselt hat und zu ganz verschiedenen Ländern gehörte. Heute liegt die Stadt in der Ukraine nahe der Grenze zu Ungarn. Die Mehrheit der Einwohner dort hatte ungarische Wurzeln und es gab sehr viele jüdische Familien dort. In einem amerikanischen Reisebericht  heißt es, dass die jüdische Bevölkerung für ihre Frömmigkeit genauso bekannt war wie für ihre Armut. Auch Hermann Altbergers Mutter Regine Elias stammte aus dieser Gegend, sie wurde in einem Dorf namens Belky gar nicht weit von Beregszasz entfernt am 15. August 1877 geboren.

Viele Familien zogen zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem armen und rückständigen Ruthenien fort und versuchten anderswo ihr Glück zu machen. Diesen Entschluss fassten auch die Eheleute Hermann und Regine Altberger, um sich selbst und ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Mit vier Kindern (Max, Paula, Arnold, Sidonie) verließen sie – wahrscheinlich 1910 – ihre Heimat und siedelten sich zunächst in Frankfurt am Main an,  wo die Kinder Rosa und Samuel geboren wurden. Von hier aus ging die Familie ins luxemburgische Dudelange (Dücklingen), wo 1913 das siebte Kind, der uns besonders interessierende Hermann, geboren wurde. Als der kleine Hermann vier Wochen alt war, zog die Familie wieder um, dieses Mal nach Eschweiler. Dort begründete die Familie ein „Partiewarenhaus“ und gehörte mit ihrem Geschäft bald zu den erfolgreichsten Geschäftsleuten der Stadt. „Partiewarenhäuser“ nannte man damals Rest- und Sonderpostenmärkte. 1918 wurde Tochter Johanna geboren, 1919 Sohn Karl (Ruben). Aus dem Partiewarenhaus wurde ein ansehnliches Fachgeschäft für Bekleidung, Stoffe und Schuhe. Über die Firmengeschichte gibt es noch sehr viel Material.

Hermann besuchte die jüdische Grundschule in Eschweiler und seine Schwester berichtet in ihren Lebenserinnerungen, dass er sehr viel und gerne gelesen hat, sehr gerne auch die Klassiker der deutschen Literatur.

Alles veränderte sich für die Familie, als Mutter Regina schwer an Krebs erkrankte und schließlich im Alter von 50 Jahren 1927 verstarb. Sohn Hermann war erst 13 Jahre alt damals.

Vater Ludwig entschloss sich, mit den Kindern in seine ruthenische Heimatstadt zurückzukehren, um dort nun ein Geschäft aufzubauen. Damals gehörte die Region zur Tschechoslowakei. Doch das gelang ihm nicht mehr, denn er starb am 13. August 1929 in Brünn im Alter von 52 Jahren. Nun hatten die neun Kinder auch noch ihren Vater verloren und waren zu Vollwaisen geworden – Hermann war nun 15 Jahre alt. Mit einigen seiner Geschwister ging Hermann nun wieder ins Rheinland, um dort eine Lehre zu beginnen. In diesen Jahren half er seinem Bruder Max beim Aufbau von dessen eigenem Textilgeschäft. 1931 – Hermann war jetzt 17 Jahre alt – kam er nach Aurich und arbeitete hier nun als kaufmännischer Angestellter in der Firma H. C. Knurr. Das Geschäft der Familie Knurr war sehr bekannt in und um Aurich für Bekleidung, Pelze, Teppiche, Gardinen und Stoffe. Weil Hermann Altberger damals einen tschechischen Pass hatte, musste er zunächst einen „Befreiungsschein für ausländische Arbeitnehmer“ beantragen, der auch gewährt wurde.

In Aurich lernte er nun seine zukünftige Frau, Erna Wolff, kennen und freundete sich mit einer Gruppe junger Zionisten an, die nach Palästina auswandern wollten. Dieser Idee schloss sich Hermann Altberger in Aurich mit Begeisterung an und gab seine Anstellung in Aurich auf, um sich in Regensburg in Bayern in einem Schulungszentrum auf das zukünftige Leben in einem Kibbuz vorzubereiten. Dort lebte er von Juli 1937 bis Juli 1938.

Nach der Familienüberlieferung waren die Eltern Wolff anfänglich nicht besonders begeistert über den Kontakt ihrer Tochter zu den Palästinabegeisterten jungen Erwachsenen, weil sie nach ihrer Ansicht einen zu lockeren Lebensstil hatten.
In Regensburg erlitt er jedoch eine heftige Ohrenentzündung und sein Gesundheitszeugnis lief ab. Somit war der große Traum der Auswanderung nach Palästina geplatzt.
In Ostfriesland bestand längst Lebensgefahr – dorthin konnte er nicht zurück. Nur für wenige Wochen konnte Hermann Altberger nach Aurich zurückkehren, um seine Verlobte Erna Wolff zu heiraten. Das geschah am 23. August 1938. Gleich darauf wanderte das junge Paar mit den Schwiegereltern Wolff aus und zog nach Argentinien. Dort kamen sie praktisch mittellos an, weil ihnen ihr ohnehin sehr geringes Hab und Gut im Hafen gestohlen worden war.

Erna Altberger geb. Wolff und Tochter Regine Altberger-Gimenez bei der Begegnungswoche in Aurich 1992                          (Foto G. Lübbers)

In Argentinien kam ihnen die Regensburger Schulung für das spätere Leben in Palästina sehr zugute und über das Hilfswerk (Jewish Colonization Association) des Barons Moritz von Hirsch (1831-1896) konnte ein Stück Land erworben werden. Die Familie widmete sich erfolgreich der Viehzucht und lebte in der jüdischen Siedlung Monigotes in der Provinz Santa Fe.
Zwei Kinder wurden geboren, 1941 die Tochter Regina und 1949 der Sohn Ludovico, benannt nach den früh verstorbenen Großeltern Altberger. Hermann  Altberger starb am 11. November 1986, seine Frau Erna am 25. April 2000. Auch ihre Tochter Regina ist bereits am 19. Juni 2007 verstorben. Ludivico ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder.

Recherche: Konfirmandengruppe der Kirchengemeinde Victorbur
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 12.05.2020)
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen:
Literatur:
Patenschaft: St. Victor Kirchengemeinde Victorbur
Verlegetermin: 19. September  2018

 

 

 

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