 Josef Samson 1939 (Foto der Kennkarte, StA Aurich)
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Josef Samson ist das zweite Kind der Eltern Abraham Josef und Frieda geb. Wolff aus Sandhorst. Die Familie wohnt in der Wallstraße 22 und zuletzt kurzzeitig im Haus Emder Straße 16. Die Familie ist sehr religiös und beachtet alle Gesetze der Religion. Um sie herum gibt es viel weitere Verwandtschaft der beiden Elternteile. Wie alle jüdischen Kinder kann Josef nach der jüdischen Volksschule keine weitere Schul- oder Berufsausbildung in Aurich anschließen. Der Antrag auf Aufnahme in das Ulricianum wird abgelehnt. Er arbeitet bei einem Bauern als landwirtschaftliche Hilfskraft in der Erwartung, dass diese Fähigkeiten bei einem Pionierleben in Palästina wichtig sind.
In der Nacht des reichsweiten Pogroms, als die Auricher Synagoge brennt und die anderen jüdischen Kultuseinrichtungen zerstört werden, werden Josef und sein Vater von marodierenden SA-Leuten gefangengenommen. Josef muss mit anderen Altersgenossen auf dem Ellernfeld schikanöse Turnübungen und Sandschaufeln unter dem Gejohle des zuschauenden Mobs aushalten. Später werden sie in der Viehhalle an der Emder Straße unter Schlägen zusammengetrieben, wo sich die Quälereien fortsetzen. Die Alten entlässt man abends, die Jungen, darunter Josef, werden am nächsten Tag unter Bewachung der beiden Auricher Ortspolizisten per Bahn nach Oldenburg gebracht. Von dort geht es weiter mit anderen Gefangenen nach Oranienburg in das Konzentrationslager Sachsenhausen.
Sein Vater reist ihm nach und es gelingt ihm, seinen Sohn nach 13 Tagen gegen ein Lösegeld freizukaufen.
Aber Josef ist verändert. Man sagt, er ist nicht mehr der gleiche wie vor 13 Tagen, er ist ein anderer. Sein Verstand scheint ohne Schärfe, ohne bestimmenden Ausdruck. Seine Äußerungen sind dumpf und müde. Er ist wohl mitteilsam und freundlich, aber seinen Vorstellungen fehlt jede Kraft und eigene Richtung. Er erholt sich nie wieder. „Was sie ihm in den 13 Tagen antaten, blieb mir und meiner Mutter und ihrer Schwester Herta unbekannt.“ [Samson Munn über seinen Onkel]
Nach einem halben Jahr, am 12.04.1939, kommt er mit einem Kindertransport nach England, nach London. Er tritt in die britische Armee ein. Er will seine Muttersprache dort nützlich einsetzen. Er wird jedoch bald, zwar in Ehren, aber wegen psychischer Auffälligkeit entlassen. Denn er erweist sich als nicht genügend belastbar.
Er geht dann als Arbeiter zur British Railroad. Hier das gleiche Ergebnis. Er wird schon in seinen frühen Zwanzigern als arbeitsunfähig entlassen und frühverrentet. Er lebt den Rest seines Lebens in einem Wohnwagen, einem Trailer home. Er lebt von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe [on the dole]. Er heiratet nicht und hat auch keine Kinder. Er stirbt nach schwerer Krankheit am 2. März 1983 im Alter von 66 Jahren.
Ich traf ihn zweimal, beide Male war ich schon erwachsen, einmal war meine Mutter [d. h. Josefs Schwester] dabei. Er war freundlich, sehr zuvorkommend, aber sein Geist war wirklich erloschen. Er sprach nicht von selbst in Sätzen, sondern nur in Beantwortung von Fragen, dann aber ohne Zögern. Wenn ich nichts fragte, dann verstrich eine lange Zeit, ohne dass er ein Wort sagte [Samson Munn].
Die Stolpersteine vor dem Haus Wallstraße 22
Dr. Samson Munn (Bildmitte) mit Ehefrau Rachel und den Kindern Amalia und Saul nahmen in Begleitung einer befreundeten Familie aus Berlin sowie Joan Chantrell aus England an der Verlegung teil.
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