Moritz ENGLÄNDER
geboren am 16. Oktober 1877 in Aurich
| Straße: | Norderstraße 22 |
| Todesdatum: | Flucht in die Dominkanische Republik am 18.09.1941 |
| Todesort: | Überlebt den Völkermord |
| Moritz Engländer wurde am 16.10.1877 in Aurich geboren. Eine Familie Engländer gab es schon lange in Aurich. Ich konnte sie bis zum Urgroßvater von Moritz verfolgen. Der hieß Abraham Hartogs Calmer Engländer und verstarb im Jahr 1803. Moritz hatte acht Geschwister. Seine Eltern waren Abraham Calmer Engländer (* 31.08.1838 in Aurich, + 02.02.1911 in Aurich) und Hannchen Isaak Cohen (* 1837, + 09.02.1893 in Aurich). Moritz Engländer heiratet Henni Herzberg (*23.06.1878 in Sachsenhagen im Kreis Schaumburg-Lippe). Sie wohnen in der Norderstraße 22 und haben zwei Kinder: Hilda (* 29.3.1906 in Aurich) und Siegfried (*23.06.1907 in Aurich). Moritz Engländer und sein Sohn Siegfried arbeiteten wie bereits seine Vorfahren als Schlachter und Viehhändler.Ich möchte jetzt die Geschichte der Familie Moritz Engländer so erzählen, wie sie mir im Verlauf einer durchaus spannenden Recherche bekannt wurde. Die Suche nach Informationen beginnt immer mit der Meldekarte im Niedersächsischen Landesarchiv Aurich. Dort erfahre ich, dass die Familie Engländer am 3.04.1934 in den Breiten Weg 1 zu Familie Wallheimer zieht, am 1.04.1936 in die Wilhelmstraße 21 zu Familie van Dyk und als die ihr Geschäft verkaufen müssen ziehen die Engländers am 19.07.1938 in die Wallstr. 14 in zu der Familie des Synagogenvorstehers Abraham Wolff. Der Sohn Siegfried zieht am 16.05.1938 nach Wilhelmshaven. Am 21.02. 1940 werden Moritz Engländer und seine Frau Henni gezwungen, mit den wenigen noch verbliebenen jüdischen Bürgern Aurich zu verlassen (Aurich sollte „judenfrei“ sein!). Sie ziehen nach Berlin in die Rosenstraße 2-4 (Anschrift der „Sozial-Verwaltung der Jüdischen Gemeinde Berlin“). Nach langem Suchen konnte ich Im Internet auf einem Faksimile der Zeitung „Aufbau“ v. 2. März 1945 eine Todesanzeige für Henny Engländer (+ 15.01.1945) finden. Bei der Suche im Internet stoße ich auf die Kopie eine „Zählkarte für auswandernde Personen“. Die Karteikarte ist von der „Kultusvereinigung Berlin“ ausgegeben. Hier gibt es spannende Zusammenhänge. Im Jahr 1938 regte der amerikanische Präsident Roosevelt eine Konferenz an, um die Situation der jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland zu verbessern. Von den 32 teilnehmenden Ländern war nur die Dominikanische Republik bereit, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Ausgerechnet einer der grausamsten Diktatoren Mittelamerikas, Raffael Trujillo, ein Rassist und Hitlerverehrer, erklärte sich bereit 100.000 jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Diese Bereitschaft war eine Art Wiedergutmachung für die Ermordung von mehr als 25.000 haitischen (dunkelhäutigen) Wanderarbeitern und hatte rassistische Hintergründe, denn mit den jüdischen Einwanderern sollte die Hautfarbe der Einwohner des Landes „aufgehellt“ werden. Daher sollten nur junge, unverheiratete Männer mit Erfahrungen in der Landwirtschaft für die Einwanderung zugelassen werden. Schließlich wanderten nur etwa 700 Flüchtlinge in die Dominikanische Republik ein. Im April 1940 trafen die ersten Flüchtlinge ein. Die Überfahrt wurde von der DORSA (Dominican Republic Setllement Organisation) und jüdischen Hilfsorganisationen in den USA finanziert. Und wie gelang es Moritz und Henni Engländer dorthin zu kommen? Daraus ist zu schließen, dass ihr Sohn Siegfried Engländer sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Dominikanischen Republik aufhielt. Siegfried war im Mai 1938 von Aurich nach Wilhelmshaven verzogen. Nach der Reichspogromnacht wurde er am 10. November 1938 festgesetzt und anschließend in Sachsenhausen interniert. Im Februar 1940 zog Siegfried nach Berlin, wohin auch zur gleichen Zeit seine Eltern ziehen mussten. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ledig. Wie und wann Siegfried in die Dominikanische Republik gereist ist, konnte ich bisher nicht herausfinden. Er konnte vermutlich in dem dortigen Siedlungsprogramm der DORSA Aufnahme finden, da er in das Raster „männlich, ledig, mit landwirtschaftlicher Erfahrung“ passte. Wir wissen nur aus der Todesanzeige für seine Mutter, dass er in dem Siedlerort Sosúa lebte, dort heiratete und 1945 zwei Kinder hatte. Wir wissen, dass das Leben der Siedler in Sosúa in der ersten Zeit extrem hart war. Sie mussten in der Einöde erst einmal ihre Unterkünfte bauen und versuchen, mit landwirtschaftlicher Tätigkeit zu überleben. Nach Kriegsende wanderten viele der Siedler in die USA aus. Heute leben noch etwa 40 Familien in Sosúa, die von den damaligen Einwanderern abstammen. Leider verliert sich nach 1945 die Spur von Moritz Engländer sowie Siegfried Engländer und seiner Familie. |
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| Recherche und Eingabe: Hans Jürgen Westermayer (Stand 16.11.2019) |
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| Foto: | – SS Serpa Pinto http://radiofuzzi.blogspot.com/2014/11/lissabon-hafen-der-hoffnung.html |
| Opfergruppe: | Juden |
| Quellen: | – Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich http://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I6203&nachname=ENGL%C3%A4NDER&modus=&lang=de – Passagierliste Serpa Pinto ab Lissabon 17.11.1941 http://search.archives.jdc.org/multimedia/Documents/Names%20Databank/Serpa%20Pinto%20November%201941/Additional%20Links/Complete_November_1941.pdf– Zählkarte für ausgewanderte Personen (Moritz Engländer) https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020401/name/pageview/709846/7246589 |
| Literatur: | – Juli Josefine Wellisch Miller de Moncada; Sosúa: Páginas contra el olvido. Colonia judía de extraordinarias historias – Hans-Ulrich Dillmann | Susanne Hei, Fluchtpunkt Karibik. Jüdische Emigranten in der Dominikanischen Republik. Erschienen: September 2009, Seitenzahl: 192, Abbildungen s/w: 73, Karten: 2ISBN: 978-3-86153-551-5 – Marion Kaplan, Zuflucht in der Karibik.Die jüdische Flüchtlingssiedlung in der Dominikanischen Republik. 1940-1945 -Wallstein Verlag, Göttingen 2010. ISBN 9783835305113 Gebunden, 283 Seiten, 24,90 EUR |
| Patenschaft: | DIG-Ostfriesland |
| Verlegetermin: | 16. November 2019 |





