Josef Sternberg

Veröffentlicht: 14. Dezember 2010 von westermayer in Verlegung

Josef STERNBERG
geboren am 27. Mai 1928 in Aurich

Straße: Osterstraße 16/18
Überlebt, Flucht in die USA
 
Josef Sternberg wird am 27. Mai 1928 in Aurich geboren. Er ist das erste Kind von Lea Sternberg geb. Knurr und Erich Sternberg. Seine Schwester Insa wird am 18. Mai 1930 geboren, sein Bruder Hans-Joachim am 4. Juli 1935.

Seine Mutter, Lea Sternberg, wurde am 10. Januar 1904 in Aurich geboren. Sie ist das vierte von sieben Kindern des Ehepaars Lippmann und Ida Knurr, geborene Bienheim. Ihr Vater betreibt in Aurich das renommierte Geschäft „H.C. Knurr“, das bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts bestand und der Familie ein gutes Auskommen sichert. Lea und ihre Geschwister verbringen eine sorglose Jugend in Aurich und genießen eine gute Ausbildung: Lea beispielsweise erlernt gleich zwei moderne Fremdsprachen, Englisch und Französisch, wovon sie später profitiert.

Zu Beginn der 1920er Jahre kommen Lea und Erich Sternberg, dessen Familie nur zwei Straßenecken entfernt das Geschäft „Meyer Sternberg“ führt, einander näher. Obwohl das Paar sich bereits 1922 verlobt, dauert es fünf Jahre bis zur Hochzeit: Lea kümmert sich um ihre schwer erkrankte Mutter und ist erst nach deren Tod 1927 zur Eheschließung bereit.

Zum Zeitpunkt der Geburt des jüngsten Sohnes spielt die Familie bereits mit dem Gedanken, Deutschland zu verlassen. Einerseits wird die wirtschaftliche Situation der jungen Familie immer schwieriger, da das Geschäft „Meyer Sternberg“, das zu einem Drittel Leas Ehemann gehört, infolge von Boykottaktionen durch die Nationalsozialisten immer weniger Gewinn abwirft. Andererseits fühlt sich das Paar aufgrund von Diskriminierung und offenen Anfeindungen immer weniger wohl in Deutschland, auch wenn die Familie von einzelnen Aurichern immer wieder Hilfe und Unterstützung erfährt. Erich Sternberg versucht daher, in den USA eine neue Existenz für seine Familie aufzubauen. Hierfür sind jedoch umfangreiche Vorarbeiten, Geschick und Glück nötig: Am 27. Januar 1936 reist Erich von Bremen nach New York, Lea bleibt mit den Kindern allein in Aurich zurück.
Trotz vorhandenen Kapitals und der Hilfe von Verwandten, die bereits um die Jahrhundertwende in die USA ausgewandert waren, hat Erich große Mühe, eine Existenzgrundlage für seine Familie zu finden und zieht sogar die Rückkehr nach Deutschland in Betracht. Lea, die in Aurich die Verschlimmerung der Lage der jüdischen Bevölkerung tagtäglich erlebt und im Sommer 1936 mit ansehen muss, wie ihr fünfjähriger Sohn Josef im Kindergarten im Beisein der Erzieher mit Steinen beworfen wird, weil er ein Jude ist, besteht jedoch darauf, dass Erich in den USA bleibt und versucht, eine Lösung zu finden.

Im Herbst 1936 gelingt es Erich schließlich, in das Kaufhaus „Goudchaux“ in Baton Rouge, Louisiana, einzusteigen, das er später übernehmen sollte. Lea stellt daraufhin ebenfalls einen Antrag auf Auswanderung, der jedoch erst im letzten Moment, 48 Stunden vor Abfahrt des Schiffes nach New York, genehmigt wird. Am 27. Dezember 1936 verlässt Lea mit ihren Kindern Aurich für immer. Ihr Vater, Lippmann Knurr, bleibt in Aurich zurück. Lea und er sollten sich nie wiedersehen.

In Louisiana gelingt es Lea und Erich, durch harte Arbeit ein florierendes Unternehmen aufzubauen. Lea trägt hierzu erheblich bei, da sie nicht nur die Kinder erzieht, sondern zudem tatkräftig im Geschäft mitarbeitet und schließlich die Leitung des Verkaufs übernimmt. Von Vorteil ist für Lea, dass sie, anders als ihr Ehemann, bereits Englisch sprechen kann. Da Erich bald Inhaber des Kaufhauses ist, hat er die Möglichkeit, Bürgschaften für Personen, die ein Visum für die USA beantragen, zu übernehmen. Dem Paar gelingt es so, einem großen Teil der Familien Sternberg und Knurr die Ausreise in die USA zu ermöglichen. Leas Brüder Harry, Hermann und Erich sowie Erichs Vater Jakob und sein Bruder Max und deren Familien entkommen so dem Holocaust. Lippmann Knurr, Leas Vater, stirbt 1942 im Alter von 83 Jahren in Bremen. Henny Knurr, Leas Tante, wird in Treblinka ermordet. Beide hatten ihre Ausreise aus Deutschland zu lange hinausgezögert, im Glauben, dass „sich alles wieder normalisieren“ würde und man zwei so alten Menschen nichts antun würde.

Josef verliert seinen Vater 1965, als dieser an einem Herzinfarkt stirbt. Zusammen mit seinem Bruder Hans führt er das Unternehmen sehr erfolgreich fort, so dass es schließlich zum größten Kaufhaus in Familienbesitz in den USA aufsteigt.

Josef Sternberg heiratet Mary Ann Weil (*14.03.1944) am 31.03.1968 in Baton Rouge. Das Ehepaar hat drei Kinder: Johanna Lynn, Katherine Ann und Walter „Jay“ Joseph.

Josef verstirbt am 23.12.1990 in Baton Rouge, East Baton Rouge, Louisiana, USA im Alter von 62 Jahren.

Seine Mutter Lea Sternberg verstirbt am 23. Juli 1998 im Alter von 93 Jahren in Baton Rouge, Louisiana, USA und wird unter großer Anteilnahme beigesetzt.

Recherche: Dr. Sandra Weferling (Stand: 5.10.2021)
Eingabe: Hans-Jürgen Westermayer
Foto:
Opfergruppe: Juden
Quellen: Staatsarchiv Aurich: Meldekartei; Rep. 248, Nr. 943;
Literatur: Hans J. Sternberg: Von Ostfriesland nach Louisiana. Flucht einer jüdischen Familie, Auszug des Buches „We were merchants“, hrsg. v. Rainer Wehlen und der DIG, Aurich 2012.
Patenschaft: Anna und Reiner Alberts
Verlegetermin: 5. Oktober 2021

 

 

 

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