Renate Wolff verh. Steinmann

Veröffentlicht: 18. Dezember 2010 von westermayer in Verlegung

Renate WOLFF verh. Steinmann
geboren am 10. Januar 1929 in Aurich

Straße: Wallstraße 56
Todesdatum: Flucht nach Palästina 1939, verstorben 2010
Todesort: Nahariva
Renate Wolff wird am 10.01.1929 in Aurich geboren. Sie ist das erste Kind von Frida Wolff geb. Valk und Levy Isaak Wolff. Am 16.04.1930 wird ihr Bruder Günther geboren. Zunächst können wir außer dem Geburtsdatum und den Namen der Eltern nichts über ihr Leben erfahren.

Ihre Mutter Frida Valk wird am 31.03.1897 in Emden geboren. Sie ist die Tochter von Valk Valk (1855-1941) und Hinderina geb. Fulda (1864-1942), beide geboren in Emden. Frida hat 3 Geschwister, von denen zwei Opfer der Shoa werden (Samuel Erich, + Auschwitz 1943 und Moritz, + 1942 Minsk). Ihre Mutter stirbt 1942 im Ghetto Lodz.

Frida heiratet am 31. Mai 1927 Levy Isaak Wolff aus Aurich.

Levy Isaak Wolff wird am 28.05.1892 geboren. Seine Eltern sind Isaak Abraham Wolff (1848-1933) und Regine Schulenklopper (1853-1936) aus Norden. Die beiden haben sieben Söhnen. Levy ist der 5. in dieser Reihe. Zwei seiner Brüder (Jakob Isaak Wolff, + Minsk 1941 und David Isaak Wolff + Auschwitz 1943) werden Opfer der Shoa, die anderen können nach Südamerika (Abraham und Wilhelm), Palästina (Levy) bzw. in die USA (Joseph und Siegfried) fliehen.

Der Vater von Levy arbeitet wie bereits Generationen vor ihm als Schlachter und Viehhändler und auch Levy wird in diesem Beruf tätig. Zusammen mit seinen Brüdern Abraham und Wilhelm arbeitet er im Betrieb seines Vaters in der Markstraße 5, so erfahren wir es aus dem Einwohnerverzeichnis von 1926.

Levy Isaak Wolff mit Tochter Renate ca. 1930, Foto: privat

Im Juni 1927 ziehen Frida und Levy in ihr eigenes Heim in der Wallstraße 56. Sie bekommen zwei Kinder. Am 10.01.1929 wird ihre Tochter Renate geboren und am 16.04.1930 ihr Sohn Günther.

Wie alle jüdischen Geschäfte leidet auch die Schlachterei der Wolffs unter den schon im April 1933 beginnenden Boykottmaßnahmen der Nazis. Auch in Aurich werden vor jüdischen Geschäften Schilder mit dem Text „Deutsche wehrt Euch, kauft nicht bei Juden!“ aufgestellt. So wird ihnen systematisch die Kundschaft und die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Renate und Günther Wolff ca. 1932, Foto: privat

Am 24.03.1933 zieht Levy Wolff mit seiner Familie in die Leerer Landstraße 18. Dort wohnt er zusammen mit der Familie Martin Wolff, zu der auch Hannelore Wolff – bekannt durch ihre Rettung auf Schindlers Liste – gehört. Hier stand auch der Fliederbaum, der ihrem Buch „Ich pflanze einen Flieder für Dich“ den Titel gab.

Schon ein Jahr später zieht die Familie Levy Wolff in die Wallstraße 37 zu Calmer und Helene Wolff. Als diese das Haus verlassen müssen, zieht Levy am 2.05.1938 mit seiner Familie zu seinem Bruder Abraham in die Marktstr. 5.  Dieser häufige Wohnungswechsel deutet an, wie schwierig die wirtschaftlichen Verhältnisse für die jüdische Bevölkerung damals gewesen sein müssen.

Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 bringt mit Plünderungen von Wohnungen und Geschäften, Verschleppung der Juden in die Auricher Bullenhalle, Misshandlungen, Schikanierung und Quälereien durch SA-Männer nicht nur traumatische Erlebnisse für die jüdische Bevölkerung, ihnen wird auch endgültig die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Levy Isaak Wolff wird – wie viele jüdische Auricher Männer – im KZ Sachsenhausen interniert und erst am 15. Dezember 1938 aus der sogenannten „Schutzhaft“ entlassen. Danach steht für ihn fest, dass er mit seiner Familie aus Deutschland fliehen muss.

Nach der Rückkehr aus dem KZ zieht er noch für wenige Monate in die Marktstraße 25 zu Isaak Levy Wolff, der auch in der Schlachterei der Familie in der Marktstraße 5 gearbeitet hatte.

Reisepass Levy Isaak Wolff, Foto: privat

Am 15. Februar 1939 flieht Levy Isaak Wolff mit Frau und Kindern vermutlich mit dem Zug nach Triest und von dort mit dem Schiff nach Palästina. Levys Reisepass existiert noch! Die Kinder Renate und Günther sind damals 10 und 8 Jahre alt. Die Familiengeschichte erzählt, dass Levy beim Verlassen des Hotels am Triester Hafen mit seinem schweren Koffer eine Glastür beschädigte. Ein verständnisvoller Hotelangestellter riet ihm, schnell zu verschwinden, damit er sein Schiff nicht verpassen müsste!

Zunächst war es unmöglich, außer dem Todesjahr von Günther Wolff irgendwelche Informationen über den weiteren Lebensweg der Familie zu finden.  Aber dank der Verbindungen von Günther Lübbers und der DIG zu früheren Auricher Bürgern und deren Nachkommen, die heute in Israel leben, können wir von Jack de Lowe aus Israel zumindest die Lebensdaten der Familie Wolff und die Eheschließung von Renate Wolff mit Arthur Steinmann erfahren.

Mehr können wir leider zunächst nicht über Renate und Günther herausfinden. Aber dann landen wir

Der von Arthur Steinmann gefertigte Schuh

doch noch einen Treffer im Internet. Auf Facebook finden wir einen Artikel unter dem Motto „Gegenstände erzählen ihre Geschichte“. Es geht um einen Schuh, den Arthur/Asher Steinmann gefertigt hat. Hier erfahren wir mehr über sein Leben und das von Renate Wolff. Mit diesen Informationen können wir über den Synagogen-Verein in Rexingen im Schwarzwald – von dort flohen viele Juden nach Nahariya – eine Verbindung zu Ronit Wolff verh. Schwarz, einer Tochter von Renate Wolff, herstellen. Von ihr erfahren wir viel über ihre Eltern und Großeltern. Sie verfügt über viele Photos und Dokumente und sogar noch über eine Singer Nähmaschine ihrer Großeltern.

Levy und Frieda Wolff in Gedera

Doch zurück zur Familiengeschichte: Levy und Frida Wolff leben mit ihren Kindern zunächst in Gedera, einem kleinen Ort etwa 40 km südlich von Tel Aviv. Frida arbeite in einer Wäscherei und als Reinigungskraft. Levy fand nur Gelegenheitsarbeiten beim Straßenbau. Später findet er Arbeit in einer Molkerei in Gedera.

Renate und Günther Wolff in Gedera ca. 1943

Die Familie lebt zunächst in nur einem Zimmer bis sie sich einige Jahre später von dem Reparationsgeld eine richtige Wohnung mit Küche und Bad leisten und sogar einen Weinberg kaufen können. Im Jahr 1966 ziehen Levy und Frida Wolff von Gedera zu ihrer Tochter Renate nach Nahariya, einem Küstenort etwa 120 km nördlich von Tel Aviv.  Frida Wolff verstirbt am 30.05.1975 im Alter von 78 Jahren, Levy Wolff am 15.03.1979 im Alter von 86 Jahren. Er war ein sehr religiöser Mensch und betete zweimal täglich in der Synagoge.

Ihr Sohn Günther stirbt schon im November1954 bei einem tragischen Traktorunfall während der Arbeit in einem Kibbuz. Er wird nur 24 Jahre alt.

Renate Wolff ca. 1948, Foto: privat

Ihre Tochter Renate wird nach der Grundschule auf ein Internat nach Tel Aviv geschickt. Später lebt sie in Jerusalem bei einem Bruder ihrer Mutter, Ludwig Valk. In Jerusalem absolviert sie eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester im Bikur Cholim Hospital. Im Jahr 1952 heiratet sie Asher/Arthur Steinmann.

Arthur Steinmann wird im Jahr 1923 in Gemünden/Wohra (30km nordöstlich von Marburg) geboren. Er flieht 1939 aus Deutschland mit Hilfe der Kinder- und Jugend Aliya, einer jüdischen Organisation, die versuchte, möglichst viele Kinder und Jugendliche in der Zeit des Nationalsozialismus aus dem Deutschen Reich vor allem nach Palästina in Sicherheit zu bringen. Etwa 21.000 Kinder und Jugendliche konnten auf diese Weise aus dem Nazi-Deutschland entkommen.

Renate Wolff und Asher Steinmann haben zwei Kinder:  Eine Tochter, Ronit, geboren 1954, und einen Sohn, Yigal, geboren 1957. Die Tochter Ronit ist mit Yigal Schwarz verheiratet und hat 3 Kinder.

Aus den Berichten über Arthurs Kindheit erfahren wir von den Schikanen durch Lehrer und Mitschüler, den Rat eines wohlgesonnenen Schulleiters, auszuwandern, die Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina auf einem Bauernhof in der Nähe von Hamburg und die Ankunft in Palästina im März 1939. Bald nach der Ankunft nehmen ihn Verwandte, Max und Pepi Kadden, auf, die in einem kleinen Dorf in der Nähe von Nahariya leben. Max ist Schumacher und bringt Arthur dieses Handwerk bei. So wurde Arthur/Asher ein erfolgreicher Schuhmacher.

Asher/Arthur Steinmann stirbt im Jahr 2009 im Alter von 86 Jahren. Noch mit 80 Jahren soll er Schuhe gefertigt haben. Seine Frau Renate/Rachel stirbt am 30.08.2010 im Alter von 81 Jahren in Nahariya, ihr Sohn Yigal  am 01.02. 2010 in Haifa.

Dank Ronit Schwarz, der Enkeltochter von Levy und Frida Wolff konnten wir doch noch viel über das Leben der Familie Levy Wolff in Israel herausfinden.

Recherche und Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 5.10.2021)
Foto: Familienbesitz: Ronit Schwarz
Opfergruppe: Juden
Quellen: Judenregister Aurich, Rep. 248
Meldekarte, NLA Aurich
geni.com (Familiendatenbank)
Informationen von Ronit Schwarz
Objects tell stories: https://www.facebook.com/shaveitzionarchives/posts/2708027426111018?comment_id=2708060512774376
Literatur:
Patenschaft: Hans-Jürgen Westermayer
Verlegetermin: 5. Oktober 2021

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