Josef SECKELS
geboren am 6. August 1911 in Aurich
| Straße: | Marktstraße 22 |
| Todesdatum: | 1944 Deportation nach Auschwitz |
| Todesort: | Auschwitz |
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Josef Seckels wird am 6.08.1911 als Sohn von Moses Feibelmann Seckels (1857-1943) und seiner Ehefrau Rieke geb. Rothschild (1871-1926) geboren. Moses Seckels war mit ihr in zweiter Ehe verheiratet. Joseph hat einen älteren Bruder Fritz, geboren am 30.05.1907. Josef wohnt zunächst bei seinen Eltern und hilft im Antik Geschäft seines Vaters. Als die Geschäfte schlechter laufen, muss er sich eine Arbeit in der Landwirtschaft suchen. In der Reichspogromnacht vom 9./10.11.1938 wird er – ebenso wie sein Bruder Fritz – verhaftet, misshandelt und anschließend bis zum 23.12.1938 im KZ Sachsenhausen interniert. Josef Seckels heiratet am 14. Februar 1939 Hedwig Marx. Sie war im März 1937 von Köln nach Aurich gezogen und wohnte in der Lilienstr.12 (bei Hedwig Wolff). Etwa ein Jahr später am 9.04.1938 zieht sie nach Sandhorst und wird dort auf Gut Coldehörn bei der jüdischen Familie Samson als landwirtschaftliche Arbeiterin tätig. Vielleicht hat Josef sie dort kennengelernt. Hedwig stammt aus Brohl, einem kleinen Dorf in der Eifel. Sie wird am 1. September 1910 in Brohl, Kreis Cochem in der Eifel geboren. Ihre Eltern sind Moses Marx (geboren am 12. Oktober 1866 in Binningen/Cochem) und Jetta geb. Bender (geboren am 22. Juni 1876). Hedwig hat eine jüngere und eine ältere Schwester: Frieda Marx (geboren am 07. Juni 1908 in Brohl/Cochem), Helene Marx (geboren am 20. November 1911 in Brohl/Cochem). Das Ehepaar entschließt sich, Aurich zu verlassen. Sie wählen die Emigration nach Belgien, in der Hoffnung dort den Verfolgungen entgehen zu können. Am 11. November 1939 emigrieren sie nach Brüssel. Vielleicht träumen auch Josef und Hedwig von einer Auswanderung nach Amerika oder Palästina. Während ihrer Emigration in Brüssel sorgt ein Soldat aus dem benachbarten Möntenich dafür, dass der Kontakt zwischen Hedwig und ihren Eltern nicht abreist. Er ist der Briefbote. Um sich nicht verdächtig zu machen, kann er das Haus der Familie Marx nicht betreten. Deshalb ist der „Briefkasten“ die nachbarliche Wohnstube. Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten in Belgien mindestens 56.000 Juden – Schätzungen gehen sogar von 60.000 bis 70.000 aus. Unter ihnen waren viele Juden aus Deutschland und Österreich, die vor den nationalsozialistischen Verfolgungen geflohen waren. Belgien war bei Kriegsausbruch neutral geblieben, aber bis Ende Mai 1940 hatten die Deutschen Belgien besetzt. Nach dem Einmarsch verabschiedeten die deutschen Besatzer zahlreiche antijüdische Verordnungen und Gesetze. Die jüdische Bevölkerung wurde in den vier großen Städten Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Charleroi konzentriert, ihre Besitztümer wurden registriert und ab dem 27. Mai 1942 musste sie zur Kennzeichnung einen gelben Stern tragen. Am 11. Juni 1942 erhielt die Brüsseler „Zentralstelle für jüdische Angelegenheiten“ aus Berlin den Auftrag, die Deportation der ersten 10.000 Juden aus Belgien vorzubereiten. Für diesen Zweck wurde in einer alten Kaserne (Dossinkaserne) in Mechelen (Flämisch) / Malines (französisch), ein SS-Sammellager eingerichtet: das „SS-Sammellager Mechelen“ (zwischen Brüssel und Antwerpen) eingerichtet. Am 4. August 1942 verließ der erste Transport das Lager. Bis zum 31. Juli 1944 folgten 27 weitere, die bis auf wenige Ausnahmen in Auschwitz-Birkenau endeten. Insgesamt wurden aus Belgien 25.124 Juden, darunter 5.430 Kinder, deportiert. Nur 1.207 (weniger als 5 Prozent) von ihnen überlebten die Deportation und kehrten nach dem Krieg zurück. Josef und Hedwig Seckels können sich nicht verstecken. Sie werden gefangen genommen und im Sammellager Mechelen/Malines interniert. Am 15. Januar 1944 werden sie nach Auschwitz deportiert – der Zug erreichte am 17. Januar 1944 das Vernichtungslager (23. Transport, 657 Juden und Sinti und Roma) – und dort ermordet. Die Eltern und Geschwister von Hedwig werden ebenfalls Opfer der Shoah. Für alle wurden im Jahr 2014 Stolpersteine in Brohl verlegt. Ausführliche Informationen zur Familie von Hedwig Marx finden sich weiter unten. Auch der in Osnabrück geborene jüdische Künstler Felix Nussbaum und seine Frau Felka Platek waren nach ihrer Verhaftung am 20. Juni 1944 in Brüssel für einige Wochen Gefangene in Mechelen. Mit dem letzten Transport am 31. Juli wurden sie nach Auschwitz deportiert und dort am 9. August 1944 ermordet. Zunächst zur ausführlichen Geschichte der Familie Moses Seckels: Moses Feibelmann Seckels gehört einer alteingesessenen, weitverzweigten Auricher Familie an. Während der ersten Verlegung in der Osterstraße haben wir schon seiner Verwandten gedacht: Sein Cousin Seckel Seckels führte dort ein Bekleidungsgeschäft. Moses Zwy Feibelmann wird am 25. November 1857 geboren. Er stammt aus einer Kaufmanns- und Händlerfamilie. Sein Vater ist Feibelmann Jacob Seckels (1821-1907), seine Mutter Mienke Moses Cohen (1819-1874) stammt aus Neustadt-Gödens. Moses heiratet in seiner ersten Ehe Emma Isenburger (1856 – 1901) aus Friedberg in Hessen. Ihre jüngere Schwester Sophie (1864- 1943 nach Auschwitz deportiert) heiratet ebenfalls nach Aurich (den Kaufmann Seckel Joseph Seckels (1861-1936). Für Sophie Seckels wurde am 8.11.2011 der erste von über 400 Stolpersteinen in Aurich verlegt, für ihren Mann Seckel am 16.11.2019 ein weiterer. Aus der Ehe von Moses und Emma Seckels stammen neun Kinder: Zwei seiner Söhne fielen im Ersten Weltkrieg. 1935 wird Moses von der Stadt noch ein Ehrenkreuz verliehen für Eltern, die ihre Kinder im Krieg verloren hatten. Die Kinder aus erster Ehe verlassen Aurich in den zwanziger Jahren. Den Holocaust überlebt hat nur Julius Jacob und zwei Töchter seines Sohnes Harry, die in Israel überlebten. Moses Feibelmanns erste Frau Emma Isenburger stirbt 1901, sie hat sich tragischerweise das Leben genommen. In zweiter Ehe heiratet Moses Feibelmann Seckels die in Gronau, Westfalen, geborene Rieke Rothschild (geb. am 21. September 1871). Sie stirbt mit 55 Jahren am 24. März 1926 in Aurich an „Herzschwäche“. Aus dieser Ehe stammen die beiden Söhne Fritz, geboren am 30. Mai 1907, und Josef, geboren am 6. August 1911. Für sie wurden ebenfalls Stolpersteine verlegt. In dritter Ehe heiratet Moses Feibelmann die aus Galizien stammende Rosa Kleinberger, geboren am 25. Januar 1886 in Klęczany in Galizien. Er heiratete sie am 21. September 1926 wenige Monate nach dem Tod seiner zweiten Frau Rieke. Diese Ehe bleibt kinderlos. Auch für Rosa wurde ein Stolperstein verlegt. Wohl in den zwanziger Jahren zieht Moses Feibelmann Seckels von der Wallstraße in die Marktstraße 22. Er betreibt ein Geschäft für Antiquitäten, wird auch als „Produktenhändler“ bezeichnet. Im Juli 1935 wird in dem Sprachrohr der Nationalsozialisten, der Ostfriesischen Tageszeitung, zum Boykott jüdischer Geschäfte in Aurich aufgerufen. Auf der veröffentlichten Liste steht auch das Geschäft von Moses Feibelmann Seckels. Die Boykottaktionen und Verfolgungen treiben ihn letztlich in den Ruin. In den späteren Entschädigungsverfahren formuliert Dr. Karl Anklam es so, „es handele sich um einen typischen Entziehungsfall. Bis zur Verfolgung lebte die Familie in geordneten und guten Verhältnissen. Moses Seckels Antik Sachen waren von anerkanntem Wert und er verdiente Geld, bis die Partei ihm den Handel nach auswärts untersagte und anordnete, dass er alles hier unter ungünstigen Absatzverhältnissen veräußern musste. In den Akten befindet sich auch eine mit Zeugenaussagen belegte Feststellung, dass man ihm sogar wesentliche Geldbeträge erpresst habe“. Soweit eine Stellungnahme von Karl Anklam aus der Nachkriegszeit. Am 1. April 1940 musste Moses Seckels sein Haus und Geschäft zur Zwangsversteigerung freigeben. Die Volksbank verkaufte es am 16.5.1940 dann weiter. (Entschädigungsverfahren endet 1956 in einem Vergleich mit Geldzahlung: 4.300 DM an Julius Seckels am 27.4.1956) Fritz und Josef Seckels, die Söhne aus zweiter Ehe, wohnen im Elternhaus und helfen so gut sie können. Josef, hilft als Kaufmann im Laden seines Vaters mit. Er muss sich aber, als die Geschäfte schlechter laufen, in der Landwirtschaft Arbeit suchen. In der Pogromnacht in Aurich vom 9. auf den 10. November 1938 brannte die Synagoge. In der Landwirtschaftlichen Halle zusammengetrieben, wurden die Männer schikaniert. Diejenigen, die jünger als 60 Jahre waren, wurden in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. 42 Auricher wurden noch am gleichen Abend ins Gefängnis gebracht. Am 11. November 1938 wurden sie in Bussen nach Oldenburg transportiert. Ein Zug brachte sie von dort weiter in das KZ Sachsenhausen. Viele Auricher Männer blieben dort bis Ende Dezember. Josef und sein Bruder Fritz können am 23. Dezember 1938 wieder nach Hause zurückkehren. Fritz Seckels bleibt in Aurich, er steht seinem alten Vater und seiner Stiefmutter Reisel/Rosa bei. Sie gehören zu den letzten 20 jüdischen Bürgern Aurichs, die im März 1940 noch in der Stadt wohnen. Zum 1. April sollte Aurich für „judenfrei“ erklärt werden können. Das ist auch der Tag, an dem Moses, Rosa und Fritz ihr Haus, ihr Eigentum, ihre Heimat verlieren. Sie hatten sich bemüht, außerhalb Aurichs eine Unterkunft zu finden. Am 16. März 1943 werden Moses, Rosa und Fritz mit anderen Juden zum Alten Bahnhof getrieben. Der Zug hält noch einmal in Berlin. Am 17. März verläßt der Transport Berlin, er erreicht das Ghetto Theresienstadt am 18. März 1943. Dort verlieren sich die Spuren. Moses Feibelmann verstirbt schon während der Deportation. Er wird 86 Jahre alt. Moses Seckels wurde ein Opfer der unmenschlichen Umstände des Transportes. Die Juden wurden in Viehwaggons gezwängt, es gab keine Toilette. Die kleinen Fenster, die einzige Luftzufuhr, waren mit Stacheldraht umwickelt, es gab nichts zu trinken. Auch die Dauer des Transportes (2-3 Tage) war ein Grund für die hohe Sterberate unter den Deportierten. Nachtrag: 2010 wurde in Braunschweig am Haus in der Ferdinandstraße eine Gedenktafel mit folgender Aufschrift angebracht: „Dieses Haus wurde 1939 ein so genanntes ‚Judenhaus’. / Ihrer Würde beraubt, mussten jüdische Mitmenschen hier leben. / Charlotte, Fritz und Miriam [sic![24]] Hirsch emigrierten im November 1940 nach Brasilien. / Isidor Baron und Käthe Ziegelstein starben hier. / In das Ghetto Warschau oder in das Konzentrationslager / Theresienstadt wurden 1942/43 deportiert: / Amalie und Luise Baron, Franziska Deppe, Rosa Falk, Lina Nachod, / Fritz, Moses und Rosa Seckels, Anna und Robert Weil.“ Nun zur Familie von Hedwig Marx: Die Familie Marx lebt in dem kleinen Ort Brohl mit etwa dreihundert Einwohnern. in Brohl lebten bis 1942 zwei jüdische Familien nebeneinander: die Familien Marx und Gärtner. Ihre ehemaligen Wohn- und Geschäftshäuser sind bis heute erhalten. Vor ihnen wurden im August 2014 Stolpersteine verlegt. Moses Marx ist Kolonial- und Viehhändler. Außerdem ist er Kantor in der Synagoge Binningen. Brohl hatte keine eigene Synagoge, sondern in Binningen waren die Synagoge und der Friedhof für die Juden der umliegenden Dörfer. Hedwigs Vater Moses Marx betreibt In Brohl einen Gemischtwarenladen. Genau gegenüber der Dorfkirche hatte die jüdische Familie den Laden eröffnet und versorgte die Dorfbewohner jahrelang mit Alltagswaren. Doch mit Beginn der Nazi-Herrschaft war es den Brohlern verboten, dort weiter einzukaufen. „Wer sich dagegen widersetzte, wurde verfolgt“, berichtet ein Nachbar, Alfons Klinkner, damals 10 Jahre alt. Unter Strafe verboten sei auch der Kontakt zu Juden im Ort gewesen. Die Nachbarn, neben Familie Marx war das auch Familie Gaertner, die bisher zu seinem Leben gehörten, sollten plötzlich Feinde sein. Am 9. November 1938, an dem Tag, der als ‚Reichspogromnacht‘ in die Geschichte einging, zerstören Nazis den Gemischtwarenladen, der sich gegenüber dem Elternhaus von Alfons Klinkner befand und der Familie Marx gehörte. Gegenseitige Besuche müssen im Schutz der Dunkelheit stattfinden. So wie in jener Nacht, als Moses Marx vor der Deportation das Elternhaus von Alfons Klinkner aufsuchte. „Er brachte meinem Vater einen siebenarmigen Kerzenleuchter“, berichtet er. „Er bat ihn, den Kerzenleuchter einem Juden zu geben, der zurückkehrt oder einem Verwandten.“ Am Tag nach diesem Besuch von Moses Marx fuhr ein Pferdegespann vor die Häuser der jüdischen Familien und brachte sie bis zur Straße, die nach Treis-Karden führt. „Dort mussten sie in einen Lkw umsteigen, dann ging es vermutlich zum Bahnhof nach Karden.“ Brohl sei kein ‚Nazi-Dorf‘ gewesen. Doch ‚die wenigen Ausnahmen‘ schafften es, die Bewohner in Angst und Schrecken zu versetzen. Ein Brohler soll etwa mitgeholfen haben, die Binninger Synagoge und den Brohler Laden zu demolieren. Der gleiche Mann stahl sich nach dem Krieg aus der Verantwortung. Als er über das Radio gesucht wurde, nahm er sich das Leben. In seinem Testament hatte er offenbar darum gebeten, unter seiner Lieblingseiche begraben zu werden. Alfons Klinkners Vater, der unmittelbar nach dem Krieg zum Bürgermeister gewählt wurde, lehnte das ab. „Er wollte kein Nazi-Denkmal“, erinnert er sich. Alfons Vater kann Jahre später das Versprechen einlösen, dass er Moses Marx in jener Nacht vor dessen Deportation gegeben hatte. „Eines Tages besuchte eine Verwandte der Familie Marx das Dorf und erkundigte sich nach deren Schicksal“, erzählt der 80-Jährige. Ihr überließ der Bürgermeister den siebenarmigen Kerzenleuchter. Moses Marx, seine Frau Jetta und seine Schwester Amalie werden am 27.Juli 1942 ab Trier über Köln in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Amalie stirbt im Ghetto am 08. November 1942 im Alter von 76 Jahren. Moses wird mit seiner Frau am 19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet. Ein genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Auch die drei Töchter von Moses und Jetta Marx werden Opfer der Shoa. Frieda, die älteste Tochter, konnte zunächst aus Deutschland vor dem Naziterror fliehen – wann, das ist nicht mehr herauszufinden, auch nicht, wohin. Spanien oder Frankreich? Offensichtlich heiratet sie dort, den sie führt den Familiennamen Rodriguez. Die gesicherten Nachrichten betreffen leider ihren Todesweg: sie war im Transport Nr. 74, der am 22. Mai 1944 vom Internierungslager Drancy bei Paris nach Auschwitz ging. Ob sie zu denen gehörte, die direkt in die Gaskammer geführt wurden, das wissen wir nicht. Hedwig konnte noch mit ihrem Mann Josef Seckel im November 1939 nach Brüssel flüchten – aber auch sie wurde aufgegriffen und von 1944 von Mechelen nach Auschwitz deportiert. Helene wohnt in Iheringsfehn und in Wattenscheid. Sie heiratet einen Herrn Weinthal, der aber noch vor ihrer Deportation verstirbt, denn sie wird als Witwe gelistet. Helene wird am 30.04.1942 ab Dortmund in das Ghetto Zamosc (nahe Lublin) deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Das Ghetto wurde in den Tagen vom 16. bis 18. Oktober 1942 liquidiert. |
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| Recherche: Astrid Parisius Eingabe: Hans Jürgen Westermayer (Stand 17.12.2022) |
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| Opfergruppe: | Juden |
| Quellen: | Meldekarte, NLA Aurich geni.com (Familiendatenbank) Familie Marx: https://www.brohl-eifel.de/gesch2.html Erinnerungen an Familie Marx: https://www.alemannia-judaica.de/binningen_synagoge.htm |
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| Patenschaft: | Petra Quintini |
| Verlegetermin: | 14. Dezember 2013 |




