Wolff Hess

Veröffentlicht: 15. August 2011 von westermayer in Verlegung

Wolff HESS
geboren am 20. Februar 1887 in Dornum

Straße: Wallstraße 6
Todesdatum: Deportation nach Sobibor am 15. Juni 1942
Todesort: Sobibor
Wolff Hess wurde im Februar 1887 in Dornum geboren. Er zog im August 1936 nach Aurich und wurde im April 1940 in eine jüdische Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf – Sayn bei Koblenz gebracht. Am 15. Juni 1942 wurde er mit anderen dort ansässigen Juden in ein Vernichtungslager in Polen deportiert und ermordet.

Wolff Hess wuchs in Dornum auf. Sein Vater, der Schlachter und Viehhändlers Moses Hess, und dessen Frau Bertha, geborene Wolffs, hatten insgesamt dreizehn Kinder, von denen aber neun im Säuglings- und Kindesalter starben. (Die Familie war in Dornum gut integriert, der Vater Moses Hess war u.a. Mitglied im Schützenverein – und wurde 1920 sogar Dornumer Schützenkönig.)

Wolff Hess zog im Sommer 1936 nach Aurich. Dorthin hatte sich auch seine Mutter Bertha, die mittlerweile verwitwet war, gewendet. Außerdem wohnten hier schon zwei seiner Schwestern: Die unverheiratete jüngere Käthe hatte, sie war leicht geistig benachteiligt, eine Anstellung als Hausmädchen gefunden. Für sie wurde bereits in der Wallstraße 56 ein Stolperstein verlegt. Seine Schwester Henriette hatte schon früh in die jüdische Wolff – Familie in Aurich eingeheiratet. Für sie wurde in der Wallstraße 54 ein Stolperstein verlegt.

Als der unverheiratete und berufslose Wolff Hess nach Aurich kam, konnte er sich also der Unterstützung seiner Verwandten sicher sein.

In Aurich wohnte er hier in der Wallstraße im Laufe der nächsten Jahre bei verschiedenen jüdischen Familien zur Untermiete: bei den Kussels, Wolffs und 2 Jahre bei den Stoppelmanns, in der Wallstr. 6 (8).

Seiner Schwester Henriette gelang Ende 1937 mit ihrem 2. Mann und den Kindern die Flucht über die Niederlande nach Buenos Aires, ebenso seiner Mutter Bertha Hess.

Seine Schwester Käthe wurde im April 1940 aus Aurich vertrieben, sie kam im Ghetto Litzmannstadt (Lodz) um. Auch Wolff Hess konnte nicht bleiben, denn Aurich wurde im Frühjahr 1940 für „judenfrei“ erklärt.

Er wurde im April 1940 in die Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf – Sayn bei Koblenz gebracht. Diese Heilanstalt war eine besondere Einrichtung für jüdische „Nerven- und Gemüthskranke“.

Die Einrichtung war 1869 gegründet worden, um auch jüdische Patienten koscher versorgen zu können. Die Nachfrage war groß, die Patienten, auch nicht-jüdische, kamen aus ganz Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern. Es war eine angesehene, exklusive Einrichtung. Das änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. 1940 wurde vom Innenministerium bestimmt, dass „geisteskranke Juden“, da ein „Zusammenwohnen Deutscher mit Juden auf die Dauer nicht tragbar ist“, nur noch in … der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn, Kreis Koblenz“ aufgenommen werden durften. Die Anstalt bekam den Charakter eines Sammellagers und wurde in die Organisation der „Endlösung der Judenfrage“ einbezogen.

Die Heilanstalt war bald maßlos überfüllt. Um die über 500 Patienten unterzubringen, ließ die Reichsregierung Baracken im Hof der Anstalt aufstellen. Die Möglichkeit, jüdische Patienten an einem Ort zu konzentrieren, diente der Vorbereitung ihrer Deportation.

Auch die jüdischen Bürger Bendorfs wurden wie Patienten der Jacoby’schen Heilanstalt selektiert, auf dem Sayner Bahnhof in Güterwaggons gepfercht und nach Koblenz zum Sammeltransport gebracht. Nach den Akten der Geheimen Staatspolizei Koblenz fanden 1942 fünf Transporte statt, knapp 600 Personen wurden in die Vernichtungslager des Ostens gebracht. Wolff Hess wurde am 15. Juni 1942 deportiert, mit weiteren 331 Juden, größtenteils Patienten der Heil- und Pflegeanstalt für Nervenkranke.

Besonders perfide: Die Geheime Staatspolizei in Koblenz versuchte den wahren Charakter der brutalen Verschleppung zu verschleiern, indem sie auf der Deportationsliste vom 15. Juni 1942 vermerken ließ: „Es wird hiermit bestätigt, dass die in der vorstehenden Liste aufgeführten Juden …. ausgewandert sind und somit, soweit sie die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben, diese verloren haben.“

Wolff Hess starb im Vernichtungslager Sobibor.

P.S.: Einer der Patienten war der jüdische Dichter Jakob van Hoddis (Expressionist), der 1909 mit einer Reihe gleichgesinnter Dichter den „Neuen Club“ gegründet hatte und 1911 durch sein Gedicht “ Weltende“ berühmt wurde. Auch er wurde im Mai 1942 nach Sobibor deportiert und dort ermordet.

Recherche und Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 24.06.2021)
Foto:  
Opfergruppe: Juden
Quellen: Judenregister Aurich, Rep. 248, Nr. 943, S. 188, Nr. 255
Meldekarte, NLA Aurich
geni.com (Familiendatenbank)
Literatur:  
Patenschaft: Kollekte 27.01.2015
Verlegetermin: 24. Juni  2021

 

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