Joseph WOLFF
geboren am 10. März 1930 in Aurich
| Straße: | Sandhorst 7 (heute Allee in Höhe der Esenser Str. 80/82) |
| Todesdatum: | 2015 |
| Todesort: | Haifa |
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Josef Wolff wird am 10. März 1930 in Aurich geboren und nach seinem Großvater benannt. Seine Eltern sind Gelly Wolff geb. Wolff (1906-1977) und Gustav Wolff (1902-1944). Drei Jahre zuvor wurde seine Schwester Cläre geboren (23.05.1927). Josef kann mit seiner Mutter und seiner Schwester 1937 nach Palästina fliehen. Dort nennt er sich „Yoske“ (die Hebräische Form von Josef). Weiter unten finden sich Informationen zu seinem Leben in Israel. Josefs Mutter, Gelly Wolff, ist die Tochter von Levy Abraham Wolff (*10.08.1862 Aurich +22.09.1937) und Clara „Clärchen“ Wolff geb. Wolffs (*5.10.1872 +25.03.1943 Sobibor). Gelly hat vier Geschwister. Zwei versterben im Kindesalter, ihr ältester Bruder Abraham (*23.06.1901 +27.07.1942) wird in Auschwitz ermordet, der jüngere Bruder Wolff (*3.06.1902 +1956) kann nach Palästina fliehen. Für Gellys Mutter Clara und Gellys Bruder Wolff „Benjamin-Zeev“ haben wir gerade Stolpersteine in der Osterstraße 25 verlegt. Am 30.04.1926 heiratet Gelly Gustav Wolff. Gustav Josef Wolff wird am 26. August 1902 in Aurich geboren. Er ist das jüngste Kind seiner Eltern Regine Reische Wolff geborene von der Wall (*26.01.1858 Norden + 23.02.1929 Aurich) und Joseph Levy Wolff (*05.10.1855 + 21.08.1920 Aurich). Mit seinen fünf älteren Geschwistern wächst Gustav in Sandhorst auf. Sein Vater betreibt einen Viehhandel. Die Familie hatte einen Hof mit Acker und Garten hier in Sandhorst. Der ältere Bruder Louis (*4.09.1893) stirbt bereits im Alter von 6 Jahren. Die älteren Schwestern Frieda (*24.07.1892 +30.01.1943 Auschwitz) und Georgina (* 3.02.1998 +17.10.1918) und sein Brüder Adolf (* 3.05.1996 + Okt. 1944 Auschwitz) heiraten und gründen eigene Familien. Georgina lebt mit ihrem Mann im elterlichen Haus. 1918 stirbt Gustavs Schwester Georgina, knapp zwei Jahre nach ihrer Heirat mit Levy Salomons und hinterlässt den einjährigen Sohn Kurt. Ihre Schwester Eva heiratet einige Monate später den Witwer ihrer Schwester und zieht mit ihm und seinem Sohn in die Wallstr. 4. Gustavs Vater verstirbt 1920, seine Mutter 1929. Gustav erbt den elterlichen Hof. Gelly und Gustav haben zwei Kinder: Cläre, geboren am 23.05.1927, und Joseph, geboren am 10.03.1930. Zunächst scheint es ihnen wirtschaftlich nicht schlecht gegangen zu sein, denn sie haben in der Zeit von 1926-1929 nacheinander vier Hausmädchen. Da die nationalsozialistische Politik sofort nach 1933 beginnt, den Juden nach und nach durch Boykottmaßnahmen und juristische Einschränkungen die wirtschaftliche Tätigkeit unmöglich zu machen, verschlechtert sich auch die wirtschaftliche Situation der Familie Gustav und Gelly Wolff. Am 14.02.1935 muss ihr Hof zwangsversteigert werden. Am 18.03.1935 kommt es zur Scheidung des Ehepaares. Gelly kann im April 1937 mit ihren Kinder Cläre und Joseph nach Palästina fliehen und dort ein neues Leben beginnen. Gustav heiratet in zweiter Ehe Margarete Schönthal aus Marienhafe (*1.08.1909 +April 1942 Ghetto Warschau). Ihre Eltern sind Bernhard Schönthal aus Marienhafe (*1.05.1873 Marienhafe +31.03.1942 Ghetto Warschau) und Bertha Schönthal geb. Steinberg aus Neustadt am Rübenberge (*7.08.1877 in Neustadt a.Rbg. +17.01.1937 Loppersum/Hinte). Gustav und Margarete wohnen bei ihren Eltern in Marienhafe. Sie bekommen am 21.05.1938 einen Sohn und nennen ihn Rolf Bernhard. Im Juni 1938 ist Gustav in Brüssel gemeldet. Vielleicht wollte er die Flucht seiner Familie vorbereiten. Er muss aber bald nach Deutschland zurückgekehrt sein, denn nach der Reichspogromnacht am 9.11.1938 wird Gustav Wolff bis Anfang Februar 1939 in Buchenwald interniert. Am 1. März 1939 wird für Gustav in Aurich die obligatorische Kennkarte mit Foto erstellt. Gustav zieht erneut nach Brüssel. – Nach der Besetzung Belgiens beginnen die deutschen Besatzer umgehend damit, ihre menschenverachtende Rassenpolitik auch in Belgien umzusetzen. Die Juden werden ab Juli 1940 statistisch erfasst, nach und nach ausgegrenzt, ab Juli 1942 interniert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Während des Holocausts werden etwa 25.000 Juden und 350 Roma von Mechelen aus vor allem in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Lediglich 1.207 Deportierte können überleben. Auch Gustav Wolff wird am 1.12.1940 im belgischen „Judenregister“ mit Wohnort im Brüsseler Stadtteil Saint-Gille erfasst. Das Meldeblatt existiert noch. Später wird er in der Kaserne Dossin, einem Sammellager, interniert, 1944 ab Mechelen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ebenso wie Gustav werden auch seine Geschwister Frieda (1943 Auschwitz), Eva (1943 Sobibor) und Adolf (1944 Auschwitz) Opfer der Shoah. Für sie sind bereits Stolpersteine in Aurich verlegt. Gustavs zweite Ehefrau Margarete wird mit ihrem Sohn Rolf, ihrer Schwester Ida und ihrem Vater Ende März 1942 zusammen mit anderen jüdischen Familien aus Rinteln abtransportiert. Zunächst kommen sie in die völlig überfüllte Gartenbauschule Hannover-Ahlem, wo sie drei Tage verbringen müssen. Schließlich werden sie ins Warschauer Ghetto deportiert. Hier verliert sich ihre Spur. Die einzigen Überlebenden der Familie Wolff sind Gustavs erste Frau Gelly mit ihren zwei Kindern sowie drei der vier Kinder seiner Schwester Frieda (Josef, Hertha und Grete), die rechtzeitig mit Kindertransporten nach England dem Holocaust entkommen konnten. Über Gellys weiteres Schicksal und das ihrer Kinder konnte ich über die Genealogie Datenbank geni.com zunächst nur die Lebensdaten in Erfahrung bringen. Gelly stirbt 1977 in Haifa, ihre Tochter Cläre gen. Ora heiratet Wilhelm Fischer und hat mit ihm zwei Kinder. Über Gellys Sohn Joseph war zunächst nichts zu erfahren. Schließlich stieß ich in der Genealogie Datenbank auf den Namen einer Betreuerin „Yael Lect-Ben Ami“. Zu ihr konnte ich über Facebook Kontakt herstellen. Sie und ihre Mutter, die Tochter von Clara/Ora, waren erstaunt und sehr bewegt, etwas über das Leben ihrer Verwandten vor 1937 zu erfahren, über das sie nur wenig wussten. Ich wiederum war sehr erfreut, etwas über das Leben von Gelly und ihren Kindern nach der Flucht aus Aurich zu erfahren. Hier sollen nun Yael (Gellis Urenkelin, Cläres/Oras Enkelin) und deren Mutter Ronit (Gellis Enkeltochter, Cläres/Oras Tochter) die Geschichte ihrer Verwandten erzählen: „Unserer Oma Gelli und ihren zwei kleinen Kindern Ora (10 Jahre alt) und Joseph (7) gelang es, 1937 aus dem Nazi-Deutschland zu entfliehen. Gelli brachte ihre Kinder zunächst bei ihrem Bruder Abraham in Groningen in Sicherheit, bis es ihr irgendwie gelang eine Einwanderungserlaubnis nach Palästina zu bekommen – zunächst nur für sich, ein Jahr später auch für ihre Kinder. Nach ihrer Ankunft in Haifa stand Gelli allein da und musste in dem für sie neuen und fremden Land für sich selbst sorgen. Sie fand eine Anstellung als Haushälterin, aber ihr Einkommen und die Lebenssituation ermöglichten es ihr nicht, für ihre Kinder aufzukommen. Sie brachte ihre Kinder daher in einer Erziehungseinrichtung für Waisen und Mittellose unter. Nach einiger Zeit konnte Oma Gelli eine kleine Wohnung mieten und arbeitete weiter in verschiedenen Niedriglohnjobs. Obwohl sie hart arbeitete und bescheiden und anspruchslos lebte, konnte sie nie für ihre Kinder aufkommen und sie bei sich wohnen lassen. In späteren Jahren konnte Oma Gelli durch Stricken in Heimarbeit Geld verdienen und arbeitete so bis zu ihrem Ruhestand. Oma Gelli starb 1977 im Alter von 71 Jahren. Ihre Tochter Ora trat als Teenager in einen Kibbuz ein und fälschte wenig später ihr Geburtsdatum, um in der Fraueneinheit der Jüdischen Brigade, einer Einheit der Britischen Armee, zu dienen.“ (Zur Erklärung: Cläre nannte sich in ihrer neuen Heimat „Ora“, das bedeutet auf Hebräisch „Klarheit, Licht“, also eine Übersetzung ihres alten Namens.) „Ora war eigentlich erst 16 Jahre alt, als sie der Einheit beitrat. Bei einer Stationierung in Ismailia, Ägypten, lernte sie ihren Kameraden und LKW-Fahrer Wilhelm (Willi) Fischer, geboren in Breslau, kennen. Die beiden heirateten nach Ende des 2. Weltkrieges. Ora und Willi lebten in Haifa und hatten zwei Kinder: Ronit (*29.02.1948) und Ilana (*1.12.1949). Ora starb schon im Alter von 60 Jahren und hinterließ eine große Familie: heute sind es 6 Enkel und 18 Urenkel. Oma Gellis zweites Kind, Josef, genannt Yoske (die hebräische Form von Josef), ging mit 11 Jahren auf ein landwirtschaftliches Internat in der Nähe von Haifa. Mit 15 arbeitete er in einem Freiwilligen Programm im Kibuz „Degania“ (am südlichen Ende des Sees Genezaret) und schloss sich 2 Jahre später der paramilitärischen Untergrundorganisation „Palmach“ an. Nach der Unabhängigkeit Israels 1948 diente er als Offizier in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften und wurde in Ehren im Rang eines Captains entlassen. Danach arbeitet er im zivilen Leben als Busfahrer und Fremdenführer. Josef heiratete 1952 Esther Rubinstein und hatte mit ihr 3 Kinder (Orit, Hanan und Carmel). Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2015 mit der Familie in Haifa. Er wurde 85 Jahre alt. Er war in seiner Stadt eine bekannte und sehr geschätzte Persönlichkeit. Heute hat er 5 Enkelkinder und 2 Urenkel.“ Joseph nahm mit Tochter Carmel an der „Woche der Begegnung“ 1992 in seiner Geburtsstadt Aurich teil. |
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| Recherche und Eingabe: Hans Jürgen Westermayer (Stand 24.06.2021) |
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| Opfergruppe: | Juden |
| Quellen: | geni.com (Familiendatenbank) Auskünfte von Familienmitgliedern |
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| Patenschaft: | Alma und Wolfgang Ontijd |
| Verlegetermin: | 24. Juni 2021 |




